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Helvetia

28.09.2024
Christian

Über das Helvetia zu schreiben, ist kein einfaches Unterfangen. Und je mehr man sich einliesst, recherchiert, nachforscht, desto schwieriger wird es. Warum? Weil sich an diesem ganz speziellen Platz, quasi mitten auf einer Verkehrskreuzung, zwischen Tram und Sihl (das ist der zweitwichtigste Fluss in Zürich), zwischen Autostau und Casino, etwas befindet, das Hotel, Bar, Restaurant, Kunstmuseum, Terrasse, geschichtsträchtiger Raum, ehemaliger Studentenwohnraum, wechselnder (oder gemeinsamer) Treffpunkt der Bohème (Milieu großstädtischer junger Künstler und Intellektueller) und der Bourgeoisie (im Marxismus: die Bezeichnung der herrschenden sozialen Klasse der Gesellschaft) alles zusammen gleichzeitig oder hintereinander ist. Verstanden?

Um diesem Helvti-Wunder etwas näher zu kommen bleibt wohl als Lösung nur, eins nach dem anderen zu behandeln, zu analysieren, was es ist und warum, denn schliesslich kennt jeder in Zürich die Helvti, selbst die, die noch nie vorher dort waren, so wie ich. Und da es oft Sinn macht, am Anfang anzufangen, rollen wir mal kurz die Geschichte des Gebäudes auf.

Das Gebäude, in dem sich das Hotel Helvetia befindet, stammt aus dem Jahr 1860. Es ist im Stil der Neurenaissance erbaut und man könte sagen, es gehört zu den architektonischen Sehenswürdigkeiten Zürichs. Das Hotel selbst wurde in den 1930er Jahren gegründet und hat sich im Laufe der Jahrzehnte immer wieder neu erfunden. In den letzten Jahren wurde das Hotel Helvetia umfassend renoviert, um den Charme des historischen Gebäudes zu bewahren und gleichzeitig modernen Komfort zu bieten.

Von der Dachterrasse hat man einen grandiosen Ausblick, aber die ist leider nicht ständig für einen Barbetrieb geöffnet. Auf Wunsch kann man sie aber als ganze Gruppe mieten und so gemeinsam bei einem der ausgezeichneten Cocktails den Sonnenuntergang betrachten.

Die Bar im Erdgeschoss versprüht immer noch den uralten Charme. Vom turbulenten Leben auf der Strasse tritt man ein in eine andere Welt. Der alte Holzboden weiss genauso viele Geschichten zu erzählen wie die vielen Sessel und Sofa, in denen man sich bei einem Drink sofort wohlfühlt. An den Wänden hängen alte Schwarz-Weiss-Fotos, auf denen man ein Gespür davon bekommt, wie wohl damals das Leben an dieser Stelle ausgesehen haben muss. Hebt man den Blick im Bereich der Wendeltreppe, die in das Restaurant im ersten Stock führt, thront oben ein grosser Leuchter, der im Gegensatz zu klassischen Leuchtern nicht in typischem Gold sondern modernen Weiss erstrahlt und noch dazu von der Form einen Kontrapunkt setzt zu dem sonstigen Stil.

Auch bei der Beleuchtung spürt man, dass sich jemand Gedanken gemacht hat. Alte klassische Lampen wechseln sich modernen Strahlern ab. Das Helvetia ist nicht einfach ein altes Gebäude mit altem Stil, sondern setzt spannende, sehr passende Akzente. Das merkt man ganz besonders, wenn man das Hotel im Nebenhaus betritt, sei es durch eine Hintertüre aus dem Restaurant heraus oder von der Strasse aus. Der Eingang von der Strasse ist zu bevorzugen, zeigt sich hier noch intensiver die andere Seite des Helvetia, der starke Einfluss durch die Kunst. Die Mischung zwischen alt und neu verschiebt sich in den Gängen und Zimmern des Hotels viel stärker Richtung neu, als dies im Gastraum zu spüren ist. Die ausgestellten Künstler wechseln, dafür sorgt der Architekt und Eigentümer Leopold Weinberg, der seinen Einfluss auch in seinen anderen Hotels geltend macht. Momentan sind die Künstler Jahic Röthlisberger, Andi Fischer und Francisco Sierra in den verschiedenen Räumen vertreten.

Für eine Nacht beziehen wir eines der ganz besonderen Zimmer, in denen sich der Einfluss der Künstler fortsetzt. Bei manchen Zimmern, so wie auch bei unserem, dessen Balkon nach hinten auf die Sihl gerichtet ist, konnten sich die Künstler gar ganz entfalten und das gesamte Zimmer einrichten. So entstehen ganz individuelle Stimmungen in den 37 Zimmern.

Aber wir sind nicht nur dafür da, um im Hotel eine Nacht in der eigenen Stadt zu verbringen, sondern auch, um die Küche auszuprobieren. Das Helvetia hat, wie der Name schon erahnen lässt, eine klassische Schweizer Küche. Aber Mathias Schendel lässt es sich nicht nehmen, seine eigenen Einflüsse auf den Teller zu bringen und so erleben wir an diesem Abend ein ganz besonderes Menu. Der Abend war noch lau, ein Essen auf der Terrasse möglich. Die Entscheidung wird dabei abhängig vom Wetter gefällt, entweder Terrasse oder Restaurant im 1. Stock, beide zu bedienen wäre schon logistisch gar nicht möglich.

Wir waren als FoodFreaks angekündigt und es erwartete uns eine eigens für uns gestaltete Karte, so etwas haben wir noch nie erlebt! Die Getränkebegleitung war auf das Menu abgestimmt, aber da man im Haus die Drink-Experten hat, wurde uns eine Cocktail-Begleitung serviert. Nach einem kleinen Starter wurde das Tatar serviert, das in die nächste Karte aufgenommen werden soll. Somit waren wir „Vortester“, und das waren wir herzlich gerne! Das Fleisch nicht wie üblich kalt, sondern am Rand kurz gebraten, das habe ich definitiv nicht das letzte Mal gegessen! Dazu Apfel-Sellerie-Salat und ein Apfelbalsam, kombiniert mit einem Refresh Martini (Dry Gin, Zitrone, Vermouth, Gurke, Lime, Pfefferminzöl).

Die Hummersuppe mit Kokos und Farina Bona konnte als nächster Gang überzeugen. Farina Bona ist ein traditionelles Produkt aus dem Tessin. Maiskörner werden geröstet, damit sie den rauchigen Geschmack erhalten und anschliessend fein gemahlen. Ursprünglich wurde es in kleinen Mengen in den Dörfern des Valle Onsernone hergestellt, inzwischen nutzen immer mehr Gourmetköche dieses Mehl und verhelfen ihm so zu neuer Aufmerksamkeit. Das Mehl eignet sich für Brot, Desserts und Suppen.

Für das Hauptgericht durfte ich erstmal in die Küche zu Mathias Schendel. Er hat mir minutiös gezeigt, wie das Gericht „Forelle im Thaichörbli“ mit Erbsenrisotto und Korianderöl entsteht. Die Rezepte habe ich von ihm erhalten, die findet ihr hinter den Links. Wieder oben am Tisch wurde das aufwendige Gericht serviert. Ganz im Kontrast zu den vorherigen Gerichten sind hier die Thai-Aromen omnipräsent. Natürlich ist ein Risotto keine klassische Begleitung zu einem Thai-Gericht, insbesondere aufgrund der hauchdünn geschnittenen Kafirlimettenblätter hat es aber dennoch harmoniert.

Zum Abschluss wieder ganz klassisch, ein warmer Kaiserschmarrn, Mandeln und ein beschwipster Marillenröster. Herrlich! Wir haben uns eine Portion geteilt, das hatte gut gelangt und zum Glück hatten wir es nicht mehr weit, der Balkon von unserem Zimmer war genau über der Terrasse.

Der nächste Morgen empfing uns mit viel Sonne, die Kühle war aber schon zu spüren und so haben wir uns vom umfangreichen Frühstücksbuffet bedient und ein herrliches Frühstück im Innenraum genossen, bevor der Arbeitsalltag uns wieder vereinnahmt hatte.

 

Das Helvetia (oder besser gesagt: die Helvti) ist, wie schon zu Beginn erwähnt, ganz viel. Und genau so kann man es auch erleben, sei es auf ein Bier in der Bar, bevor man für einen Film ins Kino auf der anderen Strassenseite wechselt, sei es für ein gepflegtes Dinner, das Schweizerisch oder Thai-geprägt sein kann, sei es für einen Morgen-Kaffee auf der Terrasse oder gar für einen kleinen Ausflug aus dem Alltag, in dem man sich eines der schönen Zimmer bucht. Nicht zu vergessen die Aussenbar auf der anderen Seite des Hauses.

 

Boutique & Art Hotel Helvetia
Stauffacherquai 3
8004 Zürich
Schweiz
Tel. +41 44 297 99 99

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Artikel:

Architekt Leopold Weinberg
Wir sind keine Schöngeister“ => Tagesanzeiger (22.01.2022)

FoodFreaks wurde am 27.-28. August 2024 für ein Abendessen und Übernachtung vom Hotel eingeladen.

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Typisch Pop-up: leider gibt es das Pop-up nicht mehr, das gab es nur im August 2024. Dafür gibt es das Restaurant immer noch und die Gerichte könnt ihr im Restaurant 7132 Silvers genissen.

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