Es gibt wohl kaum einen vergleichbaren Platz am Vierwaldstättersee. Vitznau, zwischen Brunnen und Küssnacht gelegen, nur mit kurviger Fahrt oder am Besten gleich mit dem Schiff zu erreichen, Startpunkt auch, wenn man mit der Bahn auf die Rigi will. Noch unvergleichlicher ist der Vitznauerhof selbst. Das schlossartige Gebäude ist von weither sichtbar, dabei aber doch so überschaubar in den Ausmassen, dass es nicht pompös daherkommt. Innen wunderbar stilvoll eingerichtet, traumhafter Blick auf den See aus allen Fenstern.
Geht man hinaus in den Garten bietet die Terasse direkt am See den Gästen eine qualitativ hochwertige Küche, Wellenrauschen inklusive. Dazu an jeder Ecke so viele Fotomotive, dass man kaum aufhören kann, das festhalten zu wollen. Doch uns zieht es nicht zu dieser Terasse, sondern zum alten Bootshaus am Ende des verwunschenen Gartens.
Das kleine Bootshaus hat noch immer seinen alten Charme behalten, aber beim Eintreten bemerkt man sofort, dass hier keine Boote mehr aufbewahrt und hergerichtet werden, sondern dass das Innere Platz gemacht hat für die besten Köche und ihren Teams. Was in der kleinen Küche gezaubert wird, beeindruckt schon seit vielen Jahren die Gourmetwelt. Jeroen Achtien hatte viele Jahre das Restaurant Sens geprägt, sein Sous-Chef damals Marcel Koolen, der heute das mit 2 Sternen dotierte 7132 Silver führt und für kurze Zeit (bis Ende August 2024) zurückgekehrt ist, um im Sens sein 5-gängiges Pop-up Menu „Silver makes Sens“ als Sharing-Konzept zu servieren (Menu CHF 180, Getränkebegleitung CHF 105). Um zu erfahren, was es damit auf sich hat und ob sich ein Besuch lohnt, haben wir uns auf den Weg gemacht, einen Abend im Sens zu verbringen.
Silver Snacks
Wir starten mit den Snacks, die Sellerie-Chips werden mit einer cremigen Sauce mit Holunderaromen serviert, des weiteren der dekonstruierte Caesar Salad, dessen Zutaten geschickt in einem kleinen Töpfchen verborgen sind. Der Parmesan als Basis unten in Form eines Glacé, darüber ein Salatschaum, ein Gurken-Tomaten-Salad, dann Kartoffel-Poulethaut-Geröstel. Dazu kleine Stückchen Focaccia, die extrem heiss in Öl frittiert worden sind. So gut, dass wir des öfteren nachfragen, ob denn nicht noch ein paar Stückchen in der Küche zu finden sind.
Dazu: Louis Roederer – Brut Rosé
Der Rosé-Champagner wird aus einer Mischung von Chardonnay- und Pinot Noir-Trauben hergestellt, wobei ein Teil der Pinot Noir als Rotwein vinifiziert wird, um dem Rosé seinen charakteristischen Farbton und Geschmack zu verleihen. Dieser Champagner zeigt ein ansprechendes Bukett von roten Früchten wie Erdbeeren und Himbeeren, ergänzt durch subtile florale Noten und eine feine Hefenote. Am Gaumen ist der Brut Rosé frisch und lebendig mit einer harmonischen Balance zwischen Fruchtigkeit und einer feinen Mineralität. Die Perlage ist elegant und sorgt für ein cremiges Mundgefühl.
Tomate, Rhabarber, Vals Basilikum, Saibling, Bündner Sanddorn, Bergthymian
Wunderschön angerichtet werden die ersten beiden Gerichte nach den Snacks serviert. Wenn immer möglich fokussiert man auf lokale Zutaten und so kommt der Saibling direkt aus der Region, dem nahe von Vals gelegenen Val Silgin von Sarah und Curdin Capeder, übrigens die höchst gelegene Fischzucht in Europa (=> kleiner Bericht dazu). Die Fische sind deshalb sehr klein mit einem stark konzentrierten Aroma und um diesen reinen Geschmack möglichst stark hervorzuheben wird der Fisch in kleinen Tranchen roh serviert. Auf dem Teller angerichtet der gepickelte Baby-Rettich, japanisches Seegras, Ingwerblumen sowie direkt von Vals die Kapuzinerkresse. Die knallige Sauce basiert auf einer Lecce di Tigre, hier aber mit dem lokalen Sanddorn versetzt, die grünen Sprenkel kommen vom Thymian-Öl. Dazu als Side-Dish: unten japanische Eier-Creme (Eier, Dashi => Egg Custard), darüber Saibling Tatar mit Shizo-Vinagrette.
Dashi:
Dashi ist eine grundlegende Brühe der japanischen Küche, die durch ihre einfache Zubereitung und ihren umami-reichen Geschmack besticht. Sie bildet die Basis vieler traditioneller japanischer Gerichte wie Misosuppe, Ramen und verschiedene Saucen. Die Herstellung von Dashi ist relativ unkompliziert und erfordert nur wenige Zutaten.
Die klassische Form von Dashi wird aus Kombu, einer Art essbarem Seetang, und Katsuobushi, getrockneten und geräucherten Bonitoflocken, hergestellt. Zunächst wird der Kombu in kaltem Wasser eingeweicht und anschließend langsam erhitzt, ohne das Wasser zum Kochen zu bringen, um die Aromen sanft zu extrahieren. Nachdem der Kombu entfernt wurde, werden die Katsuobushi-Flocken hinzugefügt und das Wasser kurz aufgekocht. Anschließend lässt man die Brühe ein paar Minuten ziehen, bevor die Bonitoflocken durch Abseihen entfernt werden.
Shizo:
Shiso, auch bekannt als Perilla oder japanisches Basilikum, ist eine aromatische Pflanze, die in der asiatischen Küche, insbesondere in Japan, häufig verwendet wird. Shiso gehört zur Familie der Lippenblütler (Lamiaceae) und ist eng mit Minze und Basilikum verwandt. Es gibt zwei Haupttypen von Shiso-Blättern: grünes Shiso (Ao Shiso) und rotes Shiso (Aka Shiso).
Grünes Shiso hat einen frischen, leicht minzigen Geschmack mit einem Hauch von Zitrus, der an eine Mischung aus Minze, Basilikum und Koriander erinnert. Es wird häufig als Beilage oder Garnitur verwendet und ist eine beliebte Zutat in Sushi, Salaten und Tempura. Grünes Shiso wird auch in Sashimi-Gerichten verwendet, um den Fischgeschmack zu ergänzen und zu betonen.
Rotes Shiso hat einen intensiveren, erdigeren Geschmack und wird oft in der Herstellung von Umeboshi (eingelegten Pflaumen) verwendet. Es gibt den Pflaumen nicht nur Geschmack, sondern auch ihre charakteristische rote Farbe. Rotes Shiso kann auch in Getränken, wie Shiso-Saft oder -Likör, sowie in einigen traditionellen japanischen Süßigkeiten verwendet werden.
Das andere Gericht wird banal als Tomatensalat bezeichnet, aber die sieben verschiedenen Zubereitungsarten von Tomaten deuten schon darauf hin, dass es ganz und gar nicht banal ist! Frische, glasierte, getrocknete, fermentierte Tomaten, Tomatenpulver, Tomatenwasser, Ketchup, dazu Liebstöckel-Creme, fermentierter Rhabarber, gepickelte Zwiebeln, Rande, Kurkuma. Eine ganz besonders frische und stimmige Kombination, die wunderschön auf dem gewölbten Glasteller serviert wird. Die abwechslungsreichen Design-Teller wurden übrigens nicht von Vals mitgebracht, die gehören zum Restaurant Sens.
Dazu: Basil Smash
Im Basil Smash hat man üblicherweise vier Zutaten: Gin, Zitrone, Zuckersirup, Basilikum. Da die Getränkebegleitung aber zwei alkoholfreie Getränke beinhaltet, wurde bei diesem Basil Smash auf den Alkohol verzichtet. Der alkoholfreie Gin wird übrigens auch destilliert, nur ist die Basis eben Wasser und nicht Alkohol, hier mit Aromen von Thymian, damit es mit dem Gang zusammen passt. Des weiteren bei der Variante des Silver: etwas Minze, Tomatenwasser aus fermentierten Tomaten und Holunderblüten.
Silver Sushi, Valser Rind & Hamachi
„Build your own sushi“, unter diesem Motto steht der nächste Gang, geprägt von dem starken japanischen Einfluss, den Marcel Koolen von seinen Reisen mitgebracht hat. Als Basis stehen drei Optionen zur Verfügung: ein Shizoblatt, ein Noriblatt und ein Nori-Chip. Darauf kann man nach Lust und Laune die folgenden Zutaten legen und einrollen:
Lachs-Caviar auf Creme Fraiche, getrocknetes Beef aus Vals, Hamachi aus dänischer Aquakultur, japanische Sauce (mit Sojasauce und angebratenem Sesam), gepickelte Aubergine und Zwiebel, Sesam-Dipp.
Es gibt kein richtig und falsch, so kann man alles miteinander kombinieren (nur vielleicht nicht Hamachi und Beef…). Die Qualität der einzelnen Zutaten ist wieder vortrefflich, ein Genuss.
Dazu: Brut Nature, Roederer & Starck
Der Brut Nature ist ein besonderer Champagner, der aus einer Zusammenarbeit zwischen dem renommierten Champagnerhaus Louis Roederer und dem berühmten Designer Philippe Starck entstanden ist. Dieser nicht filtrierte Champagner zeichnet sich dadurch aus, dass er ohne zusätzliche Dosage (Zuckerzugabe) hergestellt wird, was ihm einen reinen und authentischen Geschmack verleiht.
Der Brut Nature wird hauptsächlich aus den Trauben Chardonnay, Pinot Noir und Pinot Meunier von biodynamisch bewirtschafteten Weinbergen gewonnen. Er zeigt ein komplexes Aromaprofil mit Noten von Zitrusfrüchten, grünen Äpfeln, weißen Blüten, Umami und einer subtilen Mineralität. Der Geschmack ist trocken, frisch und lebendig, mit einer knackigen Säure und einer feinen Perlage.
Durch die enge Zusammenarbeit mit Starck spiegelt das Design der Flasche und das Etikett den modernen und kreativen Ansatz dieses Champagners wider.
Vierwaldstätter See
Es war schon fast abzusehen. Die ersten Gänge hat es immer wieder in Schauern geregnet, aber im Westen war der wolkenlose Himmel bereits zu sehen und hat für den späteren Abend Sonnenschein erahnen lassen. Und so kam es dann auch, dass die untergehende Sonne das ehemalige Bootshaus in dem schönsten Licht erstrahlen liess.
Sellerie, Koriander, Thaijus, Zander, Miso, Kräuter, Gnocchi Parisienne
Das nächste Sharing steht an, dieses Mal werden drei ganz unterschiedliche Gerichte serviert.
Zander, 24 Stunden in Miso mariniert, vorsichtig gegart, serviert mit einer Beurre Blanc mit Schnittlauch-Öl und Thai-inspirierten Kräutern, ich erkenne darunter Kerbel, Dill und Koriander. Insbesondere Kerbel finde ich ein köstliches Kraut, besonders in Kombination mit Fisch. Hervorragender Gang mit schöner Leichtigkeit und frischen Aromen.
Gnocci à la Parisienne, mit Parmesan geröstet, dazu eine Pilz-Creme-Fraiche, Kräuter-Creme, gepickelte Zwiebeln und fermentierte Peperoni.
Der dritte Teller zeigt mit einer Wucht, was Gemüse alles kann. Selleriewurzel, mit einer Infusion von Chili, Knoblauch und Selleriesaft, darüber ein Sellerie-Chip mit Thai-Basilikum. Die Sauce ist Thai-inspiriert mit Sternanis, Koriander, Sesam und Soja. Auch hier zeigt sich wieder der asiatische Einfluss des Kochs, dieses Mal aber nicht Japan, sondern Thailand. Absolut überzeugendes und spannendes Gericht!
Dazu: Château de Selle Rosé
Eleganter Roséwein aus der Provence, hergestellt vom renommierten Weingut Domaines Ott. Er wird aus einer Mischung hochwertiger Trauben wie Grenache, Cinsault, Syrah und Mourvèdre produziert. Dieser Rosé zeichnet sich durch seine zarte Farbe, frische Aromen von roten Früchten, Zitrusnoten und eine feine Mineralität aus. Am Gaumen ist er gut strukturiert, ausgewogen und besitzt eine angenehme Frische.
Waldbeeren, Joghurt, Dill
Für das Dessert werden wiederum mehrere kleine Gerichte serviert: Dessert mit brauner Butter und Beeren, ein Schaum auf Basis von brauner Butter und Vanille, darauf frische Erdbeeren und Brombeeren, ein Beeren-Basilikum-Essig, Erdbeer-Gel, Crumble und lokale Kräuter, fermentierter Erdbeersaft.
Des weiteren kleine Pistazien-Donats, ein hervorragend frisches Dill-Glacé und ein cremiges Glacé aus Milky Oolong Tee, einem Tee aus Thailand mit buttrigen, milchig-vanilligen Aromen.
Als Abschluss dann ein hausgemachtes Magnum-Eis am Stiel mit Salz, serviert in einer eiskalten Schale.
Dazu: Silver Negroni
Negroni besteht aus drei Zutaten: Gin, roter Wermut, Campari. Gin und Wermut werden als alkoholfreie Variante verwendet, der Campari wird aus Erdbeeren selbst hergestellt. Die Erdbeeren werden dafür püriert, das Erdbeerwasser abgesiebt, mit Rose infiziert. Mit Grapefruitsaft und Schale wird die bittere Note hinzugefügt.
Was war zu Beginn nochmal die Frage? Ob es sich lohnt? Ja, definitiv! Sofort hingehen, denn Zeit hat man nicht mehr viel, denn dann schliesst das Pop-up schon wieder, was ja schliesslich der Sinn der ganzen Sache eines Pop-ups ist. Geniessen, wenn man es kann, wenn die Möglichkeit besteht, nicht für die Ewigkeit gemacht. So wie auch jeder Abend, den man in diesen Gourmet-Stätten geniessen kann, es ist etwas für die Erinnerung und Abende wie diese kann man eigentlich eh nicht wiederholen.
Die Qualität der Gerichte ist unbestritten aussergewöhnlich hoch, die Komplexität der Gerichte faszinierend. Besonder fasziniert hat mich der Sellerie, das hätte ich kaum für möglich gehalten. Ganz grandios auch die Getränkebegleitung! Es werden fünf Getränke serviert, davon zwei alkoholfrei, was es eigentlich erlaubt, selbst nach einer Getränkebegleitung noch mit dem Auto nach Hause zu fahren. Ein Beispiel, dem andere Restaurants folgen sollten! Der Service war rundum perfekt und sympathisch, auch das trägt schliesslich einen nicht unerheblichen Teil dazu bei, ob ein Abend gelungen in Erinnerung bleibt oder nicht. Den sympathischen Marcel Koolen sieht man in seinem Restaurant immer von Tisch zu Tisch gehen, die Gäste begrüssen, das schafft er im Sens nicht immer. Was die drei Köche in der kleinen Küche produzieren, lässt keine Pausen zu und bedarf höchster Anstrengung. Aber zum Glück konnte ich ihn doch noch für ein Foto gewinnen.
Kritik? Nein, ausser dass mir die Anmerkung erlaubt sei, dass ich kein grosser Liebhaber des Sharing-Konzepts bei Gourmetgerichten bin. So sehr ich die Idee des Sharings überall begeistert aufnehme, so ist es mir doch bei diesen wunderschönen Arrangements der Gourmetteller jedes Mal ein Stich ins Herz, wenn ich diese so grob zerstören muss, um sie auf meinen bereits benutzten Teller transportieren muss. Dann doch lieber 2-3 Gerichte weniger, und die kann ich dann ganz für mich vor mir betrachten und muss sie nur stückchenweise in ihrer Pracht ruinieren. Das aber als eine ganz persönliche Anmerkung, die wohl nicht so viele mit mir teilen.
Nochmal zur Erinnerung: bitte hingehen, es lohnt sich!
30. Juni – 27. August 2024
Öffnungszeiten:
Sonntag, Montag, Dienstag: Lunch und Dinner
Restaurant 7132 Silver
7132 Vals
Auszeichungen:
2 Michelin Sterne
16 GM Punkte
Artikel:
Marcel Koolen begeistert im «7132 Silver» in Vals mit Gemüse, Saucen und Desserts, NZZ, 30.09.2023
«7132 Hotel»: Im Gespräch mit Küchenchef Marcel Koolen, wiewaersmalmit.ch, 01.01.2024
Liebesgrüsse aus der Küche, Tagesanzeiger (Bezahl-Artikel!), 24.11.2023
FoodFreaks wurde am 21. Juli 2024 zu dem Abendessen Siver makes Sense eingeladen.
Offensichtlich war während des Aufenthalts kein phantastisches Wetter – umso deutlicher bekommt man den Eindruck, dass der Vitznauerhof bei allen Wetterlagen ein höchst attraktiver Ort ist, an dem man sich ausgezeichnet entspannen kann … Bei tollem Wetter attraktiv sein kann jeder, aber hier kann ich mir zu jeder Jahreszeit einen wunderbaren Aufenthalt vorstellen!
Wie so häufig am See oder in den Bergen, blauer Himmel ist langweilig, erst die Wolkenbilder machen die Stimmung aus!
Such a beautiful place and a great article. Thank you!