Als Bewohner der Alpennordseite ist man es gewohnt, dass die Täler sich in Richtung Norden öffnen, allenfalls nach Westen oder Osten, aber praktisch nie nach Süden. Entsprechend ungewohnt ist es, wenn man sich auf die Alpensüdseite begibt und sich plötzlich die Täler nach Süden öffnen. Die Sonne steht anders, das Licht fällt in eine andere Richtung, es fühlt sich verändert an. So, wie wenn man sich auf der Südhalbkugel befindet und die Sonne plötzlich im Norden steht.

So ging es uns bei der Reise nach Leukerbad. Die Anreise ist schon ein kleines Abenteuer, die Fahrt mit dem Autoverlad durch den Lötschberg-Tunnel muss man einfach mal erlebt haben. Dieses langsame und laute Bewegen durch die Dunkelheit, fahren, ohne selbst zu fahren. Auf der anderen Seite schraubt man sich erstmal hinunter in die Talebene, zwei Mal rechts abbiegen und schon schraubt sich die Strasse hoch nach Leukerbad.

Das Dorf Leukerbad

Ein kleines unbedeutendes Dorf am Ende eines langen Tals, könnte man meinen. Aber der Name deutet schon darauf hin, da muss es etwas Besonderes geben. Wenn sich ein Bad im Namen befindet, dann bedeutet das: Wasser, Baden, Spa, Wärme, Entspannung. Das ist auch in Leukerbad so, wobei man in diesem Ort sagen kann: viel Wasser, viel Baden, viel Spa, usw. Denn man braucht sich hier nicht auf ein Bad zu beschränken sondern hat gleich zwei grosse Bäder und im Hotel Therme 51, wie könnte man anders vermuten, war ebenfalls ein Spa anzutreffen. Pro Einwohner dürfte das also weltweit eine der höchsten Bäderdichten sein, falls es so einen Parameter im Tourismus überhaupt gibt.

Das warme Wasser

Doch wo kommt dieses warme Wasser überhaupt her? Dafür machen wir uns auf den Weg zum Thermalquellen-Steig. Das Auto kann man getrost im zentralen Parkhaus stehen lassen und sich zu Fuss durch das Dorf auf den Weg bergauf machen. Bald hat man die letzten Häuser hinter sich und steigt auf den metallenen Gittern durch die tosende Schlucht. Nach einigen Hundert Metern bleibt man verdutzt vor einer Aparatur stehen, ein Flaschenzug mit Topf und Thermometer? Weit unten im Bachbett sieht man einen gemauerten Bereich, der Wasser enthält. Anscheinend kann man den Topf an dem Kabel hinunterlassen, dort auffüllen und wieder mit der Kurbel nach oben ziehen. Und mit dem Thermometer kann man das beweissen, was man mit der Hand schon spürt: das ist kein kaltes Bachwasser, sondern schön warmes Thermalwasser.

Der Weg lohnt sich, egal bei welchem Wetter! Zurück geht es wieder den gleichen Weg durch die Schlucht oder durch den Wald auf einem schönen Pfad.

Das Thermalwasser in Leukerbad wird in tiefen Erdschichten erhitzt, typischerweise in Tiefen von mehreren hundert bis einigen tausend Metern. Genauer gesagt, hier sind die wichtigsten Punkte zu beachten:

• Geothermischer Gradient: Der geothermische Gradient beschreibt die Zunahme der Temperatur mit zunehmender Tiefe unter der Erdoberfläche. In den meisten Regionen der Welt beträgt dieser Gradient etwa 3 °C pro 100 Meter Tiefe. In geothermisch aktiveren Regionen kann dieser Gradient höher sein.
• Erwärmungstiefe in Leukerbad: In Leukerbad wird das Thermalwasser voraussichtlich in Tiefen zwischen 1.000 und 3.000 Metern erhitzt. Diese Tiefe reicht aus, um das Wasser auf Temperaturen von bis zu 51 °C zu erhitzen, wie es in den Thermalquellen von Leukerbad der Fall ist.
• Gesteinsdurchlässigkeit: Das Wasser zirkuliert durch durchlässige und klüftige Gesteinsschichten wie Kalkstein und Dolomit, die tief in die Erde reichen. Während des Zirkulierens wird es durch den geothermischen Gradienten erwärmt.

Die genaue Tiefe kann variieren, abhängig von der lokalen geologischen Struktur und der Effizienz des Wärmetransports durch die Gesteine. Aber im Allgemeinen ist eine Tiefe von mehreren hundert bis einigen tausend Metern ausreichend, um die beobachteten Temperaturen der Thermalquellen in Leukerbad zu erreichen.

Klettern, oder doch lieber balancieren?

Bevor man sich faul in die Therme legt, braucht es aber erstmal etwas Aktivität. Mit der Gemmibahn geht es von 1411 m auf 2348 m, wo wir uns den Erlebnisklettersteig Gemmiwand vorgenommen hatten. Schon von der Seilbahn aus sieht man diese Mischung aus Klettersteig und Seilpark quer durch die senkrechte Wand verlaufen. Wir freuen uns schon auf die Herausforderung, aber oben empfängt uns kühles Wetter, kräftiger Wind und das Regenradar zeigt uns eine heftige Regenfront in zwei Stunden an. Auch wenn der Klettersteig in der Mitte unterbrochen werden kann, entscheiden wir uns für die risikolose Variante, den knapp 1000 Höhenmeter abfallenden Weg, der sich mit einem kleinen Pfad mitten durch die Wand nach unten windet. Schaut man später von Leukerbad hoch zum Gemmipass, kann man sich kaum vorstellen, dass durch diese Wand ein Pfad verläuft.

Der Abstieg bietet immer wieder herrliche Blicke auf Leukerbad und wir suchen schon von Weitem, welches der grossen Gebäude wohl die Leukerbad Therme ist. Die Wiesen sind hier übersäht mit einer Pracht von unzähligen Blumen, keine „Monokultur“ von Löwenzahn.

Therme – Entspannung pur

Dann aber schnell in die Therme. Unglaublich! Warmes Becken hier, wärmeres Becken dort, Pool drinnen (mit Bar übrigens!), Pools draussen, Bahn für ernsthafte Schwimmer, Rutschen für unernste Nichtschwimmer, heisse Dampfbäder, eiskalte Abkühlbecken, Kneippbecken in heiss und eiskalt. Die Vielfalt der Therme ist so gross, dass man hier problemlos etliche Stunden verbringen kann. Wäre da nicht das EM-Spiel Schweiz – Italien, das uns aus dem Pool ins Hotel treibt.

Der Vollständigkeit halber sei erwähnt, dass wir uns am nächsten Tag auch noch die Alpentherme angeschaut haben. Hier geht es viel ruhiger zu, grosses Becken drinnen mit einer Decke, die so hoch ist, dass man ohne Brille schon gar nichts mehr scharf fokussieren kann und ein riesiges Aussenbecken, in dem man das unglaubliche Panorama so richtig geniessen kann.

Hotel Therme 51

Draussen hat inzwischen der Himmel so richtig die Schleussen geöffnet (was im Wallis an diesem Wochenende zu katastrophalen Überschwemmungen führte), weshalb wir uns entschieden hatten, das Spiel nicht in einer Bar zu verfolgen sondern gemütlich im Bett des Hotels Therme 51 zu liegen und sich dort zu freuen, dass die Schweiz wieder einen Schritt weiter gekommen ist. Und so konnten wir uns anschliessend in Ruhe unten im Hotel-Restaurant stärken.

Trotti mit Monsterreifen

Die Fahrt hoch auf den Torrent, auf der anderen Talseite wie die Gemmibahn, beginnt bei wolkenverhangenem Himmel, doch oben auf 2323 m sieht die Welt ganz anders aus. Noch während wir die Formalitäten für den Trotti-Verleih erledigen, klart es draussen auf und die Sonne strahlt zwischen den weissen Wolkenbergen hindurch. Perfekt für die Abfahrt. Ein paar Regeln müssen beim Trottifahren sein: hinsitzen geht nicht, Helm braucht man, zu zweit fahren ist zu gefährlich. Entsprechend ausgestattet lassen wir den Rädern freien Lauf. Na ja, nicht so ganz, die beiden Bremsen sind ständig im Einsatz, wir brauchen ja keine Rekorde zu brechen. Und deshalb halten wir alle paar Biegungen an und geniessen die wunderbare Aussicht und den Blick nach Süden (wir erinnern uns, das Tal öffnet sich nach Süden!).

Unten angekommen lassen wir die Trottis an der Talstation unkompliziert stehen und machen uns auf den Heimweg. Wir waren nur zwei Tage in Leukerbad, haben aber so viel hineingepackt, dass die Erinnerungen noch lange nachhalten werden. Und das nächste Mal machen wir sicher den Klettersteig. Wenn nicht diesen, dann den 8-stündigen extrem langen Klettersteig hoch zum Grossen Daubenhorn.