Im Kamin lodern die Flammen vor sich hin, der Gitarrist singt dezent im Hintergrund und macht die Atmosphäre in der Bar des Giardino Mountain perfekt. Ausklang eines Abends, den man so schnell nicht vergisst. Die Gourmet Dinner des St. Moritz Gourmet Festivals sind vielleicht nicht die publikumswirksamsten Events, die Gourmet Safaris und Opening und Closing Events stehlen ihnen etwas die Show. Nun gut, die grossen Events sind neben dem grossartigen Essen auch ein Ort zum Austausch, zum Feiern, zum Sehen und Gesehen werden.
Die Gourmet Dinner dienen einem ganz anderen Zweck: das Kennenlernen der Küche des jeweiligen Gastkochs. In jedem der Restaurants der grossen Hotels in St. Moritz und Umgebung ist ein Chefkoch zu Besuch, Tradition seit vielen Jahren. So wie der Ruf des Gourmet Festivals sich inzwischen weltweit herumgesprochen hat, kommen auch die Chefs aus der ganzen Welt. In diesem Jahr wurde das Thema Levante gewählt, also die Küche des östlichen Mittelmeers. Dabei müssen die Köche nicht zwingend dort ihre Restaurants führen, viele kommen aus allen Teilen der Welt, sei es aus dem nahen Zürich, dem etwas weiteren Berlin oder direkt aus der Türkei oder dem Libanon. Was mich bei der Zusammenstellung besonders beeindruckt hat: die Politik wurde aussen vor gelassen und Köche aus Israel und arabischen Ländern haben Seite an Seite gekocht. So hat doch das gemeinsame Kochen und Essen die Kraft, sämtliche Grenzen zu überwinden.
Der Gastkoch in diesem Jahr im Giardino Mountain war Gal Ben Moshe (=> Küchengespräch mit Gal Ben Moshe), sein Restaurant ist das Prism in Berlin.
So wie das 5 Sterne Hotel Giardino Mountain nicht mit den grossen Palast-Hotels zu vergleichen ist, kann auch das Ecco, das Restaurant des Giardino Mountain, nicht mit der Grösse der anderen Hotel-Restaurants mithalten. Während man sich in den anderen Restaurant teils fast verloren vorkommt, ist das Ecco das genaue Gegenteil: im Keller, ohne Fenster, tiefe Decken. Es ist das Reich von Rolf Fliegauf, 2 Sterne, grandioser Koch, der mit seinem kleinen Team in noch kleinerer Küche Zauberhaftes auf die Teller bringt. Aber an diesem Abend ist er nur der Host, stellt seine Küche dem 1 Sterne Koch aus Berlin zur Verfügung. Und der zaubert nicht minder, ein grandioses Menu startet. Wer braucht da noch Fenster im Restaurant? In der Winterzeit sind nur schwarze spiegelnde Löcher und das Ecco wandert von Frühling bis Herbst eh ins Tessin.
Gleich vorweg, das beste Menu versinkt in Bedeutungslosigkeit, wenn der Service den Abend nicht perfektioniert. Und deshalb bleibt nur eine einzige Frage: warum ist der Nachbartisch nicht besetzt? Nach der Erfahrung des Abends sollten vor der Türe die Gourmets Schlange stehen, um eingelassen werden zu dürfen.
Mit den ersten Grüssen aus der Küche konnte man schon erahnen, das dies ein ganz spezielles Menu wird: Reis-Cokie, begleitet mit Jamil (getrockneter Schafs-Yoghurt), Auberginen-Sorbet. Die Aromen erinnern an die Levante, aber eben nicht in der klassischen Präsentation sondern mit einer ganz eigenen Art der Zubereitung. So kann es gerne weitergehen.
Bernsteinmakrele Crudo
Ein Traum! Die Bernsteinmakrele (auch Gelbschwanzmakrele genannt) hat ein rosiges, festes Fleisch und wird von Gal Ben mit Radieschen und heissem Sesam serviert. Der roh servierte Fisch kommt aus den Gewässern um Neuseeland und wird durch die angegossene Kaffee-Ponzu-Vinaigrette aromatisiert. Ponzu ist eine Würzsauce, die aus Zitrusfrüchten, Dashi und Mirin hergestellt wird. Wie genau Gal Ben sie zubereitet hat, entzieht sich aber meiner Kenntnis.
Dazu, ideal für den rohen Fisch, frisch und leicht aus Sardinien, für 5 Monate gereift, keine Eiche.
Panzale Isola dei Nuraghi 2021, Bianco IGT – Berritta, Panzale
Gegrillter Oktopus
Das Gericht war optisch wunderschön (was leider bei der dunklen Beleuchtung kaum eingefangen werden konnte) und hatte einen kleinen Nachteil: im tiefen engen Teller waren die eher festen Zutaten nicht ganz so einfach zu schneiden. Aber was macht das schon, das Geschmackserlebnis war hervorragend. Der gegrillte Oktopus wurde serviert mit Artischocken, gegrillter Zwiebel und Lardo vom spanischen Rind. Umrahmt wurde das Gericht von einer umamistarken Dashi, einem japanischen Fischsud.
Weisswein aus Katalonien, Cuvee aus Garnacha Blanca und Viognier
Via Edetana Blanco 2021, Terra Alta DO, bio – Edetária
Zackenbarsch
Den Zackenbarsch kenne ich von gestern. Die Gourmetsafari machte unter anderem Halt im Keller des Giardino Mountain, und präsentierte uns direkt vor der Produktionsküche einen Chef’s Table, der nicht mehr zu toppen war. Aber selbst das stilvolle Eindecken, die überwuchernden Blumen von der Decke verblassten gegen den Barsch. Das lag natürlich nicht nur am Barsch, denn ganz so ein grandioser Fisch für derartige Übertreibungen ist er nicht, sondern an der famosen Zubereitung. Und da ich gestern aus dem Schwärmen nicht herauskam, war die Freude umso grösser, als ich heute das gleiche Gericht nochmal serviert bekam. Übrigens, es ist der Signature Dish von Gal Ben Mosh, ich bin also mit meiner Begeisterung nicht alleine. Aber warum? Der Fisch liegt auf einem Bett aus fein geschnittenem Lauch und kleinen grünen Trauben, die Gal Ben Mosh glücklicherweise in Berlin bekommt. Sie geben dem Gericht eine schöne Säure, kombiniert mit frischer Süsse. Der Lauch untermalt das Ganze mit Ruhe. Die Beurre-Blanc wiederum kombiniert Cremigkeit mit Säure aus dem Verjus. Und auf dem perfekt gegarten Zackenbarsch? Shrimps XO, eine krustige Masse aus feinst geschnittenen stark angebratenen mit Chili gewürzten Shrimps. Göttlich! Rosenblüten waren auch noch dabei, aber wo, kann ich nicht mehr genau sagen.
Dazu braucht es einen sehr komplexen und aromatischen Weissen, frisch, gereift für 12 Monate in französischer Eiche. Der Riesling Riquewihr von 2020 bringt genug Stabilität und Komplexität, um das Gericht perfekt zu ergänzen. Alsace AC, bio – Trapet.
Étouffée Taube
Étouffée Tauben sind besonders zart, da das Blut beim Töten nicht abgelassen wird. Die Taube wird begleitet von einer gebackenen Foie gras, die im Weinblatt eingewickelt ist sowie geräucherten Favabohnen. Abgerundet wird das Gericht durch eine Granatapfel-Vierge, einer Emulsion, bei der alle Zutaten nicht gekocht, höchstens erwärmt werden.
Rotwein, einige Struktur, nicht zu stark für die Taube. Etwas Säure, aber der Körper und die Farbe dürfen die Taube nicht überdecken. Sangiovese ist hier die perfekte Begleitung.
Brunello di Montalcino 2016, Vigna Paganelli DOCG – Il Poggione
100% Sangiovese – Brunello
Lamm-Wellington
Klassisch wird ein Filet Wellington zuerst mit Duxelles ummantelt, einer Mischung aus Schalotten, Champignons, Thymian und manchmal Foie gras, die nach dem Anbraten zu einer Masse gemixt werden. Das Ganze wird auf einen viereckigen Blätterteig gestrichen und mit dem scharf angebratenen Filet belegt, eingewickelt und im Ofen gebacken. Gal Ben Moshe stellt die Duxelles-Masse aus Pistazien, Weinblättern und Rosinen her und bringt so die Aromen des östlichen Mittelmeers in das klassische französisch-baskische Gericht. Statt eines allzu mächtigen Jus wird sein Lammjus mit Rosenblüten und Limetten verfeinert. Das Gericht kommt ganz ohne weitere Beilagen. Die braucht es auch nicht.
Für das kräftige Gericht braucht es einen Wein mit mehr Struktur, Cabernet Sauvignon, Cabernet Franc, Merlot, serviert wird ein Maurizio Zanella Rosso del Sebino 2019, der 1.5 Jahre in französischer Eiche gereift ist. IGT. Lombardia – Ca’del Bosco
Pré-Dessert
Die herzhaften Gänge sind Vergangenheit, die Süsse übernimmt. Zuerst mit Honig, Kamelmilch-Glacé und Trüffel. Die Kamelmilch kommt von einer Hamburger Farm!
Olivenöl-Parfait
Das Dessert als krönender Abschluss: ein Olivenöl-Parfait, Mandelsablè für die Süsse, Mandarinen für die Säure, Olivenwasser Pate de fruit und karamellisierte schwarze Oliven. Wer mehr wissen will, sollte das Interview mit dem Chefkoch lesen!
Château Doisy-Védrines 2018
2e cru classé, Sauternes AC, Chateau Doisy-Védrines
Sémillon, Sauvignon Blanc. Muscadelle
Fazit
Es war schon fast zu erwarten, es war wieder ein perfekter Abend im Ecco. Beim letzten Mal im Ecco konnte ich Rolf Fliegaufs Tavolata erleben, dieses Mal seinen Gastkoch Gal Ben Moshe. Die Aromen, die er in das Menu gezaubert hat, waren unglaublich und ich werde bei meinem nächsten Berlin-Besuch seinem Restaurant Prism sicher einen Besuch abstatten.
Danke an das St. Moritz Gourmetfestival, die diesen Besuch möglich gemacht haben. Wer noch nicht dort war, sollte unbedingt hingehen. Was das Motto im nächsten Jahr ist? Das ist noch geheim und wird erst im Dezember 2023 gelüftet.
Gal Ben Moshe war der Gastkoch im:
Giardino Mountain (5* Hotel)
Restaurant Ecco
Via Maistra 3
7512 St Moritz
Schweiz
Links:
Webseite Hotel
Webseite Restaurant
Instagram Ecco
Auszeichnungen:
2 Michelin Sterne
18 GM Punkte
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