2 Tage zwischen Wäldern und Weinbergen beim Ungersberg

22.01.2018
Christian

Im Umkreis des Ungerberg

Vier bis 5 Stunden zu Fuß, das scheint zunächst vielleicht etwas viel, allerdings bietet die Tour am ersten Tag drei landschaftlich recht unterschiedliche Abschnitte, sodass durch die Abwechslung sich die Ermüdungserscheinungen in Grenzen halten. Der erste Wegabschnitt überwindet insgesamt 400 Höhenmeter und ist damit auch die einzige längere Steigung auf der gesamten Tour. Hat man die Höhe geschafft, so führen die anschließenden Wege insgesamt bergab mit nur kleineren Zwischensteigungen.

Start in Dambach la Ville

Das Auto bleibt zwei Tage in Dambach la Ville stehen, am Besten parkt man es mitten in der Stadt. Unten auf der Karte ist ein Parkplatz eingezeichnet (bitte selbst noch prüfen, ob man dann auch wirklich sein Auto dort stehen lassen kann!). Im Rucksack sollte man zwei kleine Gläschen und einen Korkenzieher nicht vergessen, denn unseren ersten Halt machen wir beim seit 1590 existierenden Weinkeller von Florian und Mathilde Beck-Hartweg. Ihr Bio-Wein wird ohne Sulfide oder andere Zusätze hergestellt. Die meisten Arbeiten werden durch Florian, Mathilde und den Eltern von Florian von Hand durchgeführt, so haben sie den Kontakt zu Boden und Natur. Die Beiden führen eine grosse Auswahl an Weinen: Pinot Noir, Pinot Gris, Gewürztraminer, Riesling und Sylvaner. Interessant der Pinot Noir, der in Grand Cru Lage angebaut wird, aber aufgrund Appellationsbestimmungen nicht so genannt werden darf. So heisst er halt einfach nur „F“. Nehmt aber nach einer kleinen Weinprobe erstmal nur ein Fläschchen Gewürztraminer mit, das passt gut zum nächsten Stopp…

Man lässt Dambach la Ville möglichst rasch hinter sich, die Gefahr, sich zu lange in den Gassen und Gässchen zu verweilen, ist ausgesprochen groß. Einen kleinen Stopp sollte der Gourmet aber noch bei der Patisserie Kamm einlegen und ein paar Macarons (oder selbstgemachte Schokolade) einpacken lassen, die man unterwegs als kleine Pausenspeise zum Gewürztraminer geniessen kann. Weiter geht es zunächst die Fahrstraße bis zur Kapelle des heiligen Sebastian hinauf, wo schon gleich die erste Pause einlegt werden sollte. Die Kapelle ist einem römischen Soldaten geweiht, der zum Christentum übergetreten ist, von seinen Feinden mit Pfeilen durchbohrt wurde, diese Tortur sogar überlebte und somit freilich nur zu einem unvollendeten Märtyrer wurde. Das Besondere an dieser Kapelle: sie steht unter der Obhut von 12 Dambacher Familien, die für die Instandhaltung zuständig sind.

Am tiefsten berührt aber nicht der Schmerz geplagte heilige Sebastian im Innern der Kirche, sondern das von außen einsehbare Beinhaus mit den darin aufgehäuften Schädeln und Gebeinen. Die darüber befindliche Inschrift „ Was ihr seid, sind wir gewesen. was wir sind, werdet ihr sein,“ klingt wie eine Botschaft der Toten an uns Heutige und mahnt uns, das Leben unter der Gewissheit der Vergänglichkeit zu sehen.

Aufstieg zur Burg

Es fällt schwer diesen Ort mit seinem phantastischen Blick auf das mittelalterliche Städtchen Dambach la Ville zu verlassen, aber der anschließende Aufstieg, zuerst durch die Grand Cru Lagen der Weinberge von Beck-Hartweg, später durch die hellen Kiefernwälder mit den verstreut dazwischen liegenden Granitfelsen befreit uns etwas von der Schwere der Botschaft, die uns die Toten übermittelt haben.

Als Wegmarkierung folgt man dem blauen Kreis und erreicht als nächste Station nach ca. 35 Minuten Burg Bernstein. Chateau Bernstein, wie es auf den Hinweisschildern heißt. Man muss sich daran gewöhnen, dass Franzosen alles als Chateau bezeichnen, was in unserem Sprachgebrauch lediglich noch als bescheidene Burgruine durchgehen dürfte. Also Chateau Bernstein – ein überraschender Anblick mitten in den Wäldern, ohne ersichtlichen Zusammenhang mit einer Siedlung oder irgendwelchen Verkehrswegen. Die Bedeutung freilich groß angesichts der noch heute imposanten Mauern, die bergseitig von einem mächtigen Bergfried abgeschlossen werden. Der Ausblick vom Turm phantastisch, der Aufstieg freilich etwas abenteuerlich. Die ganze Burganlage wirkt wie aufgesetzt auf einen gewaltigen Granitsockel, aus dem heraus die Mauern wie eine Fortführung des Untergrunds herauswachsen. Die regelmäßigen und sauber verfugten Buckelquader aus eben diesem Granitmaterial werden hoch oben von einer noch gut erhaltenen Fenstergalerie durchbrochen. Wie viele Bauernfuhren und wie viele Handwerkerstunden waren wohl nötig um aus diesem sperrigen Material so gleichmäßige Bausteine herzustellen. Die hohe Qualität der Bauausführung – ein klarer Hinweis auf die staufischen Auftraggeber, die hier nicht nur ein Zeichen ihrer hohen Baukunst geliefert haben, sondern damit gleichzeitig im Grenzland zu Frankreich ihre Macht demonstriert haben.

Burgen faszinieren und wenn sie ganz entlegen in den Wäldern stehen, stellt sich zwangsläufig die Frage, zu welchem Zweck sie errichtet wurden. Weit und breit keine Siedlung, erst recht kein erkennbarer Handelsweg und dann eine Wehrburg mit solch gigantischen Ausmaßen! Die Lösung ergibt sich wenige hundert Meter weiter am Rastplatz Käsmatt mit seinem silbernen Wegkreuz. Hier führte über eine Einsattelung des Gebirges eine wichtige Wegverbindung in den weiten Talkessel von Villé. Heute nutzt die Nationalstraße die Talniederung der Gießen um im weiten Bogen dorthin zu gelangen. Die Wegführung in früheren Zeiten orientierte sich freilich an anderen Gegebenheiten: Lieber sich eine Steigung hoch quälen, als lange gefährliche Talwege zu benutzen.

Tour Tag 1 Tag 2
Route: Dambach la Ville – Itterswiller Itterswiller – Dambach la Ville
Natur: kleine Wanderpfade durch Wald, später durch Weinberge einfache Wege durch Weinberge
Dauer: 4-5 Stunden 2-4 Stunden
Höhendifferenz: 400 m hoch / 400 m runter 100 m hoch / 100 m runter
Schwierigkeit: einfach einfach
Übernachtung: Hotel Emmabuckel in Itterswiller

Durch Wälder

Bei der Ruine Bernstein mit 647 m der höchste Punkt der Tour wechselt das bisherige Wegzeichen zum roten Rechteck, die Markierung des GR 5, ein sicheres Zeichen auf einen Weg zu treffen, der ganz naturnah geführt wird. Die ersten 500 Meter freilich erwartet uns ein breiter Holzabfuhrweg. Das gemächliche Abwärtsgehen trotzdem ein Genuss, Beine ausschlenkern und endlich richtig ausschreiten! Vorsicht jedoch beim zu gelösten Schlendern, die Wege der Grand Route zweigen oft unvermittelt ab. Und so befindet man sich unversehens auf einem schmalen Pfad, der durch ursprüngliche Naturlandschaften führt. Zwischen den prachtvollen lichten Buchen – Mischwälder ist das Laufen freilich nur hintereinander möglich, und so richtet sich der Blick auf Details, auf Formen und Farben der unmittelbaren Umgebung. Man muss den Kopf schon weit in den Nacken legen, um einen Blick in die Baumkronen zu ermöglichen. Der Weg ohne Anstrengung, ein geringes Auf – und Ab, Zeit genug anzuhalten und die Kleinigkeiten am Wegesrand wahrzunehmen, hier eine Felsgruppe, dort eine von Moos überwachsene Baumwurzel. Felsgestalten erinnern an die Figuren auf den Osterinseln, andere sehen darin etwas weniger poetisch nur einen Eselskopf (Rocher de L´ane). Uns freilich ist eher das Herz aufgefallen, das aus dem Granitfelsen heraus gewittert ist.

Durch Weinland

Nach dem Überqueren der Verkehrsstraße, die, aus dem Gebirge kommend, von Villé ins Weinland führt, sind es nur wenige hundert Meter bis zum nächsten Abzweig, der mit dem Rechteck weiß rot weiß deutlich signalisiert, dass man sich auf einem Zugangsweg zur Grand Route befindet. Der Übergang aus der stillen Waldlandschaft in das offene Weinland hat etwas Befreiendes. Aus der Begrenzung heraustretend, erlebt man den weiten Blick als zutiefst beglückend. Weinberge wechseln sich ab mit Wiesengelände, dazwischen liegen in den Talmulden Dörfer in einer Ursprünglichkeit, als wäre die Zeit spurlos an ihnen vorübergegangen. Dazwischen ein reich bewegtes Gelände, Gutshöfe, Hecken und in der Ferne bereits das Dorf Itterswiler. Die ganze Landschaft überragt von der markanten Bergkuppe des Ungersbergs, der in der Geschichte des Bauernkriegs eine zentrale Rolle gespielt hat. Das Ziel unmittelbar vor Augen bleibt man entweder streng auf der weiß rot weißen Markierung oder man sucht sich seinen eigenen Weg und gibt sich den Verlockungen der Landschaft hin.

Hotel Emmabuckel oder warum zu jeder Tour mindestens eine Übernachtung gehört.

Schon die Ankunft in einem Dorf nach langer Wanderung vermittelt einerseits das beglückende Gefühl, endlich das Ziel erreicht zu haben, andererseits erlebt man den prickelnden Hauch des Fremden und Unerwarteten. Signifikant wird diese Wahrnehmung, wenn man im Hotel mit der verwunderten Frage empfangen wird: Wo haben Sie denn ihr Auto?

Itterswiller ist eines der bekannten Weindörfer und zur Hauptsaison dürfte es schwierig sein, ohne Vorbestellung ein passendes Zimmer zu finden. Zu empfehlen ist das Hotel Emmabuckel, das mit Zimmerpreisen von 63.- bzw. 76.- Euro für ein Zweibettzimmer recht moderate Preise aufweist. Wer freilich die besondere Lage am Rand des Dorfes nutzen möchte, sollte das teurere Zimmer mit Balkon und einem einmalig freien Blick über die Weinlandschaft des mittleren Elsass wählen. Auch das Restaurant bietet eine solide Küche zu moderaten Preisen.

Ansonsten hat sich Itterswiller für die zahlreichen Touristen elsässisch herausgeputzt. In den Auslagen der wenigen Geschäfte häufen sich die Souvenirs. Von dekorativen Weinpräsenten, über Motivteller mit elsäßischem Brauchtum bis hin zu Störchen in allen nur denkbaren Größen und Positionen ist alles zu finden, was für den Touristen typisch elsässisch ist. Auch in den Restaurants findet sich alles, was nur irgendwie nach elsässischer Weinromantik ausschaut: alte Weinpressen, irdenes Geschirr und natürlich auf den Tischen die obligatorischen rotweißen Tischdecken. Trotzdem, es ist nicht ganz unschön und irgendwie wirkt das Ganze sogar anheimelnd. Vor allem das Hotel Arnold besitzt hier die Gestaltungshoheit, was das Elsaßklischee betrifft. Neben diesem Elsaß für Touristen bietet der Ort aber eine wirkliche Sehenswürdigkeit. Es ist die Kirche, deren markanter Turm auf das 14. Jahrhundert zurückgeht. Im unteren Teil dieses Kirchturms befindet sich ein wunderschönes Fresko mit einer seltsam zarten Darstellung des jüngsten Gerichts. Vielleicht hat die Nähe zum Wein dazu geführt, dass selbst die Höllenfahrt der Verdammten noch in einem milden Licht erscheint.

 

2. Tag – von Itterswiler nach Dambach la Ville

Der Weg zurück nach Dambach la Ville ist purer Genuss. Er lässt sich zwar bequem in zwei Stunden bewältigen, aber es sollte daraus leicht das Doppelte werden, denn man läuft zumindest in der ersten Etappe durch eine Landschaft, die wohl als eine der schönsten Weingegenden des gesamten Elsass zu bezeichnen ist. Schuld daran sind wohl die geologischen Verwerfungslinien, die dazu führen, dass der gleichmäßige Gebirgsabfall zur Rheinebene im Bereich zwischen Itterswiller und Blienschwiller aufgelockert ist und Hügelzonen tief in die waldige Gebirgszone hineingreifen. Gleichgültig welche Wegzeichen man wählt, jede Wegbiegung bringt neue Überraschungen und unerwartete Blickwinkel. Der besondere Reiz liegt aber darin, dass die Weinberge immer wieder unterbrochen werden von Hangstufen mit Hecken und naturnahen Zonen, die mit dichtem Heckenrosen zugewachsen sind, ein Vogel und Tierparadies! (Hinweis an die badischen Winzer -vermutlich fressen die elsässischen Vögel keine Trauben!)

Diese Landschaft muss besonders im Frühling erlebt werden! Da die Wegführung immer wieder vom Vogesenrand in die Berglandschaft hineinführt, eröffnen sich weite Blicke in die Rheinebene und es ist ein ganz besonderes Ereignis, eine Welt zu erleben, in der kein neuzeitliches Gebäude die Harmonie der Landschaft stört. Natürlich braucht der Mensch Arbeitsplätze und natürlich gehören dazu die entsprechenden Industrieanlagen, aber welch tiefes Glück irgendwo noch einzutauchen in Bilder, die der Vergangenheit angehören. Zu eben dieser Vergangenheit gehören auch die zahlreichen Wegkreuze, die zum großen Teil noch aus dem 17. und 18 Jahrhundert stammen und mit ihren deutschen Inschriften daran erinnern, dass die bäuerliche Bevölkerung damals und zum Teil auch heute noch einen alemannischen Dialekt spricht.

Irgendwann kommt man dann doch in die Dörfer und eines der schönsten auf dieser Tour ist wohl Blienschwiller. Und hier geht das Schauen und Verweilen gleich weiter. Das Straßenbild wirkt noch recht ursprünglich und keinerlei Neubauten stören das einheitliche Bild der Sandstein gemauerten Toreinfahrten. Die Häuser ähnlich im Stil, aber jedes auch gleichzeitig mit einem eigenen Gesicht, was durch die phantasievollen Schilder der Weingüter noch unterstrichen wird. Auch hier die Wahrnehmung, nochmals in eine Welt einzutauchen, die hoffentlich noch nicht so schnell der Vergangenheit angehören wird. Bevor man sich aber weiter auf den Weg macht, sollte man eine gemütliche Mittagsrast im Le Pressoir de Bacchus einlegen. Der Meinung ist auch der Guide Michelin, der das schmucke kleine Restaurant aufgrund des guten Preis-Leistungsverhältnisses mit dem Bib Gourmand ausgezeichnet hat.

Die letzte Wegstrecke führt schließlich durch die etwas gleichförmigen Rebberge in Richtung Ausgangspunkt. Aber schließlich kann nicht jeder Wegabschnitt neue Höhepunkte bieten und ein bisschen tröstet man sich damit, dass schließlich auch der Pilgerweg nach Santiago de Compostella hier entlang führt. Liest man dann noch, dass dem Pilger mühsame 2247 km bis zum Ziel bevorstehen, dann freut man sich doch, die Tour in Dambach la Ville beenden zu können.

In der Karte findet ihr die einzelnen Stationen wie z.B. das Hotel, Restaurant, Weinkeller usw. sowie die Sehenswürdigkeiten. Wenn ihr oben links neben dem Titel auf das Symbol klickt, erscheint von links die Naviagionsleiste, in der ihr die einzelnen Stationen sowie die Tour seht. Wenn ihr ganz rechts in der Navigationsleiste auf das Viereck klickt, macht sich in einem neuen Fenster die Karte als Google Maps auf.

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