Solothurn

10.04.2024
Christian

Es giesst wie aus Kübeln, als ich mich in frühabendlicher Dunkelheit durch die Gassen Zürichs auf den Weg mache zum Zunfthaus zur Meisen, gleich um die Ecke des Fraumünster. Im ersten Stock findet der Presseevent von Solothurn Tourismus statt und ich bin neugierig, was diese kleine Stadt wohl zu bieten hat. Der Ruf freilich eilt voraus und das Label „Schönste Barockstadt der Schweiz“ verspricht schonmal viel.

Wie sich in der folgenden Stunde die Stadt präsentiert, verblüfft mich dennoch. Mit was für einer Begeisterung erzählt der Intendant und Direktor vom TOBS (Theater Orchester Biel Solothurn) Dieter Kaegi von dem Angebot des Theaters. 250 Angestellte arbeiten in Solothurn und Biel für die Theater- und Konzert-Kultur, ein grosser Luxus, den sich die beiden Städte gönnen.

Dann erzählt Rico Engesser mit nicht geringerer Inbrunst von den Literaturtagen, die in Solothurn klein gestartet haben und sich inzwischen zum wichtigsten Schweizer Event für lokale Schriftsteller entwickelt hat.

Und als dann noch die Vertretung von Kathrin Steffen beginnt, über das Kunstmuseum zu schwärmen, über die grosse Unterstützerin der Kunst und Kunstsammlerin Gertrude Müller, die bereits 1910 mit knapp 20 Jahren ihren ersten Van Gough kaufte, die gleichermassen die Künstler Hodler und Amiet faszinierte (und wiederum die Künstler sie), die schon damals mit ihren Auto als erste Frau durch Solothurn kutschierte, ist spätestens klar, dass diese Stadt einen Besuch wert ist.

Nur wenige Wochen später überqueren wir die Aare auf der Kreuzackerbrücke, die Wolken hängen tief und sorgen dafür, dass die Lichter des Hotels La Couronne eine wohnliche Wärme ausstrahlen. Nach einem langen Dinner am Chef’s Table mit südamerikanischer Küche erwartet uns am nächsten Morgen sonniges Wetter und eine Stadtführerin, die uns in knapp zwei Stunden (fast) alles über Solothurn berichtet.

Über drei mal 11 Treppen geht es hinauf zur St. Ursenen Kathedrale, die gar nicht als Kathedrale erbaut wurde. Erst später hat der Bischof bemerkt, dass sich Solothurn als Sitz ganz gut eignet und ist quasi nachträglich hier eingezogen. Die Kathedrale selbst wurde im 18. Jahrhundert im barock-klassizistischen Stil erneuert. Pisoni hatte zur Verwunderung der Gemeinde die Fenster sehr hoch im Raum angesetzt, was eben zuerst auf wenig Gegenliebe stoss. Wollte man doch das alte dunkle Loch ersetzen durch etwas Helles. Aber er liess sich nicht beirren und heute sind die Solothurner froh, fällt doch das Licht so wunderbar und ständig wechselnd ein. Unschön war dann vor einigen Jahren, dass ein Brand mit Benzin im Innenraum gelegt wurde, der dafür sorgte, dass man in penibler Putzerei die gesamte Kirche schrubben musste. Oben an der Decke hat man eine Rosette ungeputzt gelassen, damit auch zukünftige Generationen die Putzerei noch würdigen können.

Vor der Kirche gab es gleich zweierlei zu bestaunen. Einerseits das in der Kirchenmauer eingelassene Relief der Enthauptung Stadtheiligen Urs und Viktor, die sich als christliche Legionäre weigerten, den römischen Göttern etwas zu opfern. Anstatt die Köpfung kurzerhand zu akzeptieren, haben sie aus Protest ihre Köpfe wieder aus der Aare gefischt und sind mit dem Kopf unter dem Arm bis hoch zur Kapelle gelaufen. Inwieweit das den Tatsachen entspricht, kann leider nicht mehr überprüft werden. Aber eine nette Geschichte ist es allemal.

Das andere zu Bestaunende war eher kurzfristiger Natur. Eine Gruppe von 20 Männern schmetterte auf der drei mal 11stufigen Treppe spontan ein paar irische Lieder, passend zum St. Patricks Day. Die Stadtführerin hatte ihre Mühe uns davon loszureisen und unsere Aufmerksamkeit wieder auf die historischen Begebenheiten der Stadt zu lenken.

Warum eigentlich schon wieder diese Betonung auf der Zahl 11? Nun, die Zahl 11 verfolgt einem in Solothurn förmlich. Es scheint alles auf diese Zahl ausgerichtet zu sein. Irgendwann hat irgendjemand damit angefangen und im Laufe der Zeit wurde das immer mehr ausgelebt. Zum Glück gibt es aber noch keine Ideen, Restaurants, Hotels oder Geschäfte auf 11 zu beschränken. Ebenfalls darf auch nach 11 am Abend ein Bier getrunken und vor 11 am Morgen gefrühstückt werden. Bei Brunnen, Plätzen, Toren, Portalen und einigem Weiteren hat man das mit der Anzahl 11 aber wörtlich genommen.

Durch das Baseltor hindurch stehen wir draussen vor der Stadt und man hat den Eindruck, dass sich auch noch heute alles Wichtige innerhalb dieser Mauern abspielt. Hier draussen hat es Wohngebiete, aber das geschäftige Leben ist drinnen in der Altstadt. Wir bewundern das letzte Stück der Schanze, das eigentlich auch hätte abgerissen werden sollen. Lange nach dem unglaublich teuren Bau der Schanze rund um die Stadt realisierte man, dass man ja gar nicht die Möglichkeiten einer ersthaften Verteidigung hätte, es gab schlicht nicht genügend Soldaten. Und so baute man das Ganze wieder ab (es gab auch schon damals unsinnige Steuerausgaben), ausser den letzten Rest, den einige Solothurner einfach kauften und so vor dem Abbruch bewahrten. Heute ist man froh um diesen Rest, gibt es sonst kaum mehr eine deartige Struktur in der Schweiz.

Weiter über das Rathaus zum Abassadorenhof, hier lebten einst die französischen Herren/Besatzer/Beschützer/Botschafter, die dafür sorgten, dass die Stadt unter französischem Schutz stand. Das ist unter anderem auch ein Grund für den Wohlstand sowie den französischen Einflüssen in Solothurn.

Solothurn ist aber auch eine Stadt der Kunst. Das durften wir bei der Führung durch das Kunstmuseum erleben. Voller ansteckender enthusiastischer Begeisterung führte uns die Direktorin Katrin Steffen durch das Haus. Im ersten Stock bedeutende Schweizer Werke um die Jahrhundertwende von Cuno Amiet und Ferdinand Hodler, aber auch ein Vincent van Gogh ist zu betrachten. Viele dieser Werke stammen aus der Sammlung von Gertrud Müller, die schon in jungen Jahren eine begeisterte Sammlerin war (hier eine sehr schöne Zusammenfassung über sie).

Aber auch kulinarisch hat Solothurn unglaublich viel zu bieten. Im La Couronne findet man klassische französische Küche in gediegenem Ambiente, im Salzhaus an der Aare die asiatisch angehauchte Gourmetküche, im Tiger vegetarische Sharing Plates mit Fleisch-Fisch-Beilage auf Wunsch.

Wen die Berichte noch nicht überzeugen, der sollte auf jeden Fall selbst mal vorbeikommen, um sich zu überzeugen!

Dieser Beitrag ist Teil des Magazins #1 Solothurn

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2 Kommentare

2 Kommentare

  1. jürgen

    Solothurn macht tatsächlich neugierig und dass bei so schlechtem Wetter noch so faszinierende Fotos herauskommen, das spricht für den Fotografen.
    Sehr detailliert und ausgesprochen animierend.

    Antworten
    • foodfreaks

      Vielen Dank, das freut mich! Es war auch wirklich bei regnerischem Wetter sehr eindrucksvoll!

      Antworten
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