Küchengespräch Martin Elschner

10.04.2024
Christian
Ein Küchengespräch mit dem Chefkoch des französisch geprägten Restaurants La Couronne in Solothurn. Was sind Schmelzkartoffeln? Was kommt in seine Café de Paris? Und warum kauft er 100 kg Melonen?

Das „La Couronne“ hat sich seit der Wiedereröffnung 2017 der französichen Küche verschrieben. Zu Beginn war sogar noch die Speisekarte in Französisch verfasst. Hat sich das geändert?

Es ist eigentlich inzwischen französisch-mediterran mit französischen Klassikern, die immer mal wieder kommen, aber es ist eher die südfranzösische Küche mit italienischen und spanischen Einflüssen. Es wird keinen Mango-Papayasalat geben, aber das Konzept ist schon wesentlich offener, als es am Anfang war.

Hat die französische Küche für Dich vorher schon eine besondere Bedeutung gehabt?

Meine Ausbildung ist relativ klassisch französisch gewesen, ich habe in einem deutschen Wirtshaus gelernt, in dem die französische Küche die Basis war. Ich war ja ganz lange draussen im Restaurant Attisholz (bei Solothurn) und da war auch die Grundbasis französische Küche, aber halt sehr weltoffen interpretiert. Dann im Sonnenberg in Zürich war es sehr klassisch französisch und so ist es eigentlich immer geblieben. Ich würde jetzt nicht sagen, ich bin ein Koch aus Paris, aber die Ausbildung ist schon klassisch passiert.

Was ist dein französisches Lieblingsgericht? Welches von deinen französischen Gerichten findest du am Komplexesten zum Kochen?

Mein französisches Lieblingsgericht ist Bœuf bourguignon, das ist für mich das Beste. Von unseren Gerichten das Komplexeste ist der Cotriade, den wir machen. Gestern gab’s ja nur Kabeljau mit ein bisschen Fenchel und der Sauce, aber normal wenn wir es auf der Karte haben gibt es fünf Fische, also respektive drei Fische, Octopus, Austern oder Crevette. Die Sauce ist einfach unheimlich aufwändig, weil du musst Gemüse in verschiedenen Reihenfolgen in den Topf schichten, dann mit Muschelfond, Krustentierfond, Fischfond und Gefügelfond aufgefüllt, dann muss es einen Moment ziehen, dann muss das Gemüse ordentlich ausgepresst werden und dann kommt die Reduktion mit dem Alkohol und den Gewürzen. Das ist eigentlich das anstrengendste Gericht, das wir kochen. Eine Cotriade ist eigentlich das nordfranzösische Pendant zur Bouillabaisse.

Du hast deine Stationen Attisholz und Sonnenberg erwähnt. Welche Küche hat dich am Stärksten geprägt?

Mit Sicherheit das Attisholz. Ich war knapp acht Jahre dort, das war die erste Stelle nach der Lehre und ich habe dort auch alle Schritte durchgemacht, vom Commis über den Chef de Partie zum Sous Chef. In der Zeit habe ich auch die Meisterschule dort gemacht. Also ich denke, das ist mit die prägenste Zeit gewesen.

Hat sich das Restaurant Attisholz während den letzten acht Jahren in der Bewertung verändert? Oder war es damals schon auf 17 Punkten?

Das war damals schon auf 17 Punkten. Einfach im vierten Jahr, als ich Sous Chef war, haben wir noch einen Stern bekommen.

Im Sonnenberg ist dann für mich der Schritt zur Einfachheit gekommen. Also im Attisholz war es schon viel aufwändiger, im Sonnenberg ging’s halt da drum, für 200 Leute à la carte zu schicken, hast dann noch ein Catering und musst dann noch im Club Restaurant einen großen Apero schicken. Da ging es einfach darum, Top Produkte gut und einfach weiter zu verarbeiten und ich denke, das hat mir einen anderen Blickwinkel auf gewisse Sachen gegeben. Dass es eben nicht 1000 Sachen braucht, damit ein Gericht im Endeeffekt gut wird, sondern dass drei Sachen reichen, wenn die Qualität und die Verarbeitung stimmen.

 

Die ersten beiden Gerichte auf deiner Karte. Wie ist deine Einstellung dazu, tust du das stärker fördern? Siehst du bei den Gästen eine Änderung, dass mehr Leute auf vegetarisch achten oder ist mehr, dass du es etwas pushen willst?

Also generell haben wir uns, wie schon bei der Genossenschaft Baseltor, in Richtung Nachhaltigkeit entschlossen. Das heisst wir legen Wert darauf, ein Stückchen mehr in die Richtung zu gehen. Von den zwei vegetarischen Gerichten ist eines immer vegan. Das ist nicht direkt so deklariert. Jetzt zur Zeit der Weißkohlstrudel, da ist das komplette Gericht vegan, inklusive der Sauce. Ich denke, der Fokus bei den Gästen nach vegetarisch und vegan ist in den letzten fünf Jahren schon größer geworden. Wir haben mit einem vegetarischen Gericht gestartet, zwei Jahre später waren dann die Nachfrage schon viel größer und ich muss sagen, ich kann mir auch vorstellen, dass es drei Gerichte werden und dafür ein Fleischgericht weniger.

Du hast gerade die Genossenschaft erwähnt. Wie stark reden die bei der Karte mit? Oder setzt ihr euch ab und zu zusammen und überlegt, was optimiert werden sollte?

Nein, in der Karte wird überhaupt nichts mitgesprochen. Es geht mehr um strategische Sachen, Marketing, Einkauf, was sollte optimiert werden usw. Aber wir Köche treffen uns ab und zu, um uns auszutauschen.

Ich hab so ein bisschen recherchiert, auch im Falstaff 2017. Da wurden deine Kartoffeln von der Vichyssoisse so gelobt. Hast du das Gericht noch auf der Karte? Wo holst du die Kartoffeln her bzw. von welcher Sorte sind sie?

Damals waren es La Ratte Kartoffeln aus Frankreich. Die Vichyssoisse machen wir noch, letztes Jahr nicht, aber diesen Sommer steht sie wieder auf dem Plan. Ich würde aber jetzt keine Kartoffeln aus Frankreich mehr holen. Wir haben hier regional viele Partner, mit denen ich zusammenarbeite. Letztes Jahr hatte ich Kontakt mit einem Bauer aus Wiedlisbach. Er ist ein recht junger Typ, hat an der ETH an vielen Studien mitgearbeitet. Er wollte beweisen, dass du Top Gemüseprodukte ohne Spritzen und ohne Düngen herstellen kannst zu mir vernünftigen Preis. Das haben wir dann auch gemacht. Sein Problem war aber, dass er für dieses Jahr kein Land zum Pachten gefunden hat. Jetzt muss ich wieder schauen, was wir wieder Neues machen.

Wie heisst er?

Dominik Hummel. Er ist viel unterwegs, er war gerade in den USA und schaut sich auch dort Agrarbetriebe an. Er hatte mir jetzt geschrieben, dass er eine neue Melonensorte hat, die er ausprobieren möchte, aber er hat nur noch ein Viertel von dem Land vom letzten Jahr. Er könnte mir aber knapp 100 kg Melonen anbauen, wenn ich das wollte. Da muss ich ihm noch zurückschreiben, dass ich die 100 kg Melonen abnehmen kann.

Du hast auch Schmelzkartoffeln auf der Karte. Ich kenne den Begriff gar nicht. Was ist das genau?

Das ist auch nicht schwierig, dass du den nicht kennst, das ist nämlich unsere Erfindung. Eine der beliebtesten Beilagen beim Bankett ist Kartoffelgratin. Und eines der beliebtesten Allergien auf dieser Welt ist Laktoseintoleranz. Wir mussten uns dann eine Alternative überlegen. Mit den veganen Rahmersatzprodukten geht das für Saucen und für Desserts, aber im Kartoffelgratin hat das ganz ganz komisch geschmeckt. Jetzt machen wir praktisch etwas wie Kartoffelgratin, aber komplett ohne Käse und Rahm. Wir schichten Kartoffeln mit Sonnenblumenöl in einen Topf, mit Deckel gebacken und nach dem Herausnehmen leicht beschwert. Danach wird es in Portionen geschnitten, 8.5 x 4.5 cm ergibt 130 gr Beilage. Knusprig backen, dann ist es aussen sehr knusprig und innen fast wie ein Puree. Deswegen schmeckt es so gut. Die garen also im eigenen Saft, der verdunstet soweit, dass die Stärke der Kartoffel das alles zusammenhält. Beim Schnittbild siehst du auch noch die Kartoffeln, aber zum Essen ist es dann mega cremig.

Café de Paris hast du auch. Das ist ja so ein grosses Geheimnis. Ist das bei Dir auch so ein Geheimnis oder was machst du rein. 

Also ja, man muss schon sagen, für eine gute Café de Paris brauchst du Jahre, bis du das genau eruieren kannst. Gut, ich war halt in zwei Top-Betrieben, die beide eine gute Café de Paris hatten. Ich habe mir aus Beiden dann mein Fazit gezogen, was fand ich bei der einen gut, was bei der anderen gut, was bei Beiden schlecht und habe dann meine eigene gemacht. In das Rezept kommen glaube ich 32 verschiedene Zutaten, ich könnte es jetzt aus dem Stegreif auch nicht mehr sagen, was alles drin ist. Was ich nicht mehr reinmache ist Sardelle, das ist nicht mein Favorit, dass lasse ich auch beim Tatar weg. Es gehört vielleicht rein, aber da muss jeder seine eigene Interpretation finden. Eingelegter Estragon ist noch wichtig bei uns, der kommt hinten aus dem Garten, den legen wir im Sommer immer selber in Kräuteressig ein. Rote Zwiebeln dünsten wir mit Knoblauch und Paprikapulver in Olivenöl an, reduzieren, bis nur noch ein Brei übrig ist. Dann alle Gewürze, Dijonsenf, Worchestersauce, alles fein zu einer Paste gemixt. Butter aufschlagen, Eigelb dazu und aufschlagen, Paste rein, damit gratinieren wir dann.

Wieviel seid ihr in der Küche?

Wir sind 13. Ich habe zwei Sous Chefs, drei Lehrlinge, drei an der Spüle und der Rest sind noch Köche. Wir haben eine 7-Tage-Woche, da haben immer welche frei, sind in den Ferien oder der Schule. Dann gibt es das Restaurant, die Bar, oben den Bankett-Teil, das ist schon ordentlich, was wir hier rauslassen. Beispielsweise haben wir nächste Woche 1500 Bankettportionen von Montag bis Samstag, das ist schon verrückt.

Gestern Abend gab es das Menu „Cocina Latinoamericana“ im Rahmen des Gustofestivals. Wie war die Zusammenarbeit mit dem Koch Santiago Macias? Was lief super, wo gab es Schwierigkeiten?

Wir hatten ja noch das Bankett, da war ein Teil von meinem Küchenteam dafür abgestellt. Das Schwierigste war die Koordination zwischen à la Carte im Restaurant und dem Chef’s Table. Mit Santiago ist es einfach super, wir verstehen uns unheimlich gut und er hat es auch verstanden, dass er sich in das System fügt, das vorhanden ist.

Warst Du schon bei ihm zum Essen?

Nein, leider noch nicht. Wie gesagt, ich wäre gerne im Oktober im letzten Jahr gegangen, dann ist das mit Boris dazwischen gekommen, aber ich denke dieses Jahr liegt das drin.

Vielen Dank für das Interview!

 

Restaurant
La Couronne Hotel Restaurant
Hauptgasse 64
4500 Solothurn
Schweiz

Links:

Webseite
Instagram

Auszeichungen:

14 Punkte Gault Millau

Artikel:

Restaurant der Woche: La Couronne, Falstaff (21.08.2017)
La Couronne, Eintrag Michelin (2024)
La Couronne, Eintrag Gault Millau (2024)
Glanz und Gloria gehören zur «Couronne», Artikel Solothurner Zeitung (26.04.2017)

Die Stadt Solothurn kann mit Recht als die schönste Barockstadt der Schweiz bezeichnet werden. Zwischen Aare und Jura gelegen bietet sie ein unglaublich umfassendes Kulturangebot und eine faszinierende Gastronomie.

Die Artikel von FoodFreaks, die in Zusammenhang mit dem Besuch in Solothurn stehen, sind im Magazin #1 publiziert.

Links:

Webseite Solothurn
Instagram Solothurn
#visitsolothurn

Dieser Beitrag ist Teil des Magazins #1 Solothurn

Diese Tipps für unterwegs werden Dir sicher auch gefallen:

0 Kommentare

0 Kommentare

Einen Kommentar abschicken

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

NICHTS VERPASSEN!
Coole Restauranttipps, schmatzige Rezepte,
spannende Reiseberichte. 
Bleib dran!
close-link
Consent Management Platform von Real Cookie Banner