Küchengespräch Jürgen Andre

10.04.2024
Christian
Jürgen Andre ist der kreative Kopf am Herd des Restaurants "Tiger" in Solothurn. Was ist sein Konzept für das Restaurant? Warum sind die Gäste so begeistert? Und was für Zutaten kommen in seine Tigermilch?

Bei welchen Stationen hast Du bisher gekocht?

Ich habe die Lehre in einem Landgasthof im Schwarzwald gemacht, genauer in Bräunlingen, in der Nähe von Donaueschingen. Dann gleich in die Schweiz nach Laax, dann am Bodensee, danach in Zürich zum Widder und anschliessend in den Lenkerhof, meine Hauptstation beim Jan Leimbach. Dort war ich 5-6 Jahre, mit 23 Jahren bereits Sous-Chef. Den Jan Leimbach habe ich im Widder kennengelernt und er hat mich mit nach Lenk genommen. Erst wollte ich da gar nicht hin, es war aber doch recht cool dort. Danach sind wir nach Bern in die Stadt, ins Meridiano, im Kursaal oben drin, ich war wieder Sous-Chef. Dort haben wir wieder 17 Punkte und neu auch einen Stern erkocht. In der Villa Lindenegg hatte ich meine erste Küchenchef-Stelle, jedoch nur für ein dreiviertel Jahr, da die Besitzer die Villa dann abgegeben haben. In Feldbrunnen wurde jemand gesucht für ein Restaurant, da habe ich 2018 die Eröffnung gemacht. Vier Jahre später wurde ich hier für den Tiger angefragt. Das hat sich aber leider verzögert bis zur Eröffnung. Die jetzigen Eigentümer sind vier Inhaber, die das Restaurant zusammen gekauft haben. Sie haben Fachpersonal gesucht und haben Cheyenne Hess und mich gefunden. Der Eröffnungstermin hat sich aber leider immer wieder verzögert, erst Ende 2023 konnten wir dann endlich eröffnen. Im Haus hat es schon früher ein Restaurant gegeben, schon seit 150 Jahren.

Welche Station hat dich am Meisten beeinflusst?

Am meisten der Leimbach, ich habe ja viele Stationen mit ihm gemacht. Wir sind da immer feiner geworden, vom Lenkerhof mit 140 Plätzen zum Meridiano mit 30 Sitzplätzen, da konnten wir vom Aufwand schon mehr machen. Wir waren sieben ausgelernte Köche für 30 Gäste. Mittlerweile gibt es das Meridiano aber nicht mehr.

Woher kommt denn der Name Tiger?

Das kommt von einem Admiral im ersten Weltkrieg, der hat so eine Tiger-Stimme gehabt. Seit dem heisst das Haus Tiger und wir wollten den Namen für das Restaurant unbedingt beibehalten. Es ist halt bekannt als der Tiger in Solothurn.

Hat man das Thema Tiger auch im Design mit aufgenommen ?

Ja, der Architekt hat das mit einfliessen lassen. Von den Farben ist es etwas Dschungelmässig, eher dunkel mit Holz, mit leichtem Tigermuster. Der Architekt ist aus Solothurn, Wolfgang Aeberhard, er hat schon einige Restaurants neu konzipiert.

Wie habt ihr die Karte entwickelt? War das von den Eigentümern vorgegeben?

Die Eigentümer hatten natürlich schon Ideen. Es war zuerst geplant, ein Steakhaus daraus zu machen, Tiger passt natürlich zu Steak, offenes Feuer, usw. Dann gab es aber Probleme mit dem offenen Feuer bezüglich Lüftung. Somit war das nicht umsetzbar und wir haben nach neuen Konzepten gesucht. Wir sind dann auf das jetzige Konzept Sharing gekommen, von grösseren Städten wie Zürich und Bern kennt man das. Anders ist jetzt, dass das Konzept hier auf Gemüse aufgebaut ist. Fisch und Fleisch gibt es als „Beilage“ dazu.

Ist das deine Intention gewesen oder wird das immer mehr von den Gästen nachgefragt?

Ich sehe einen Trend, dass es nachhaltiger wird mit weniger Fleischkonsum. Viel Gemüse, nicht zu viel Fleisch, obwohl ich auch grosse Fleischstücke anbiete. Das Konzept habe ich selbst geschrieben, natürlich auch inspiriert von anderen Orten, bei denen ich gegessen habe. Das dann auf zwei Stockwerke verteilt und so sind wir am Ende auf die Idee gekommen, zwei Konzepte zu machen für die beiden Stockwerke, ein einfaches Konzept unten, Sharing oben.

Wie oft wechselt die Karte?

Jetzt kommen wir aus dem langen Winter, ab nächster Woche kommt die Frühlingskarte, nächste Woche werden wir produzieren, geschrieben ist es schon. Es werden 5 Gerichte ausgewechselt, danach eine Woche später wieder zwei, das ist ein stetiger Wechsel.

Holst du auch Sachen aus dem Wald, wie Bärlauch?

Ich habe hier einen Bio-Bauern in der Nähe (Bio Rigi), von dem beziehe ich hauptsächlich Gemüse, aber auch vom Berner im Seeland und Umgebung, alles sehr regional. Für selber in den Wald gehen fehlt mir etwas die Zeit. Aber ich bin sehr gerne in der Natur.

Was ist im Moment dein Lieblingsgericht auf der Karte und welches ist am Schwierigsten zu kochen?

Ich habe ja eine Vorgeschichte in Sternerestaurants, von daher ist es nicht schwierig in dem Sinne. Ich versuche so einfach wie möglich, aber so gut wie möglich. Immer mit einer gewissen Überraschung drin. Für mich ist nicht jedes einzelne Gericht aufwendig, sondern die Komplexität der vielen Komponenten. Ich koche einfach. Aber doch schon so, dass ich Rüebli fermentiere, entsafte, reduziere, mit Butter und Rüebligrün-Öl zu einer Sauce mache. Das ist so ein Detail, was bei manchen Gerichten so durchschimmert von früher. Das mache ich sehr gern. Du musst halt 30 Komponenten am Abend bereithalten für 5-6 Gerichte, das macht es komplex.

Die Vielfalt und Kreativität hast du also beibehalten?

Es ist schon viel einfacher als früher. Wir hatten es halt mit soviel Details und Nuancen gemacht, da habe ich für mich auch manchmal gedacht, das braucht es gar nicht. Das ist vielleicht cool, wenn man es so macht, aber der Aufwand macht manchmal fast keinen Sinn.

War das Preiskonzept von Anfang an so gedacht, ein Menu für einen Fixpreis?

Man kann à la carte bestellen, aber der Fokus liegt auf dem Menu. Wir bieten das relativ preisgünstig an, für das, was man dann bekommt. Das macht es uns in der Küche einfacher und berechenbarer. Ich mache mit Absicht ein Überraschungsmenu, damit ich das, was ich produziere, optimal einsetzen kann. Dann hat man da etwas Spielraum und man hat fast kein Food-Waste.

Unterscheidet sich das Menu von den à la carte Gerichten?

Nein, das Menu besteht aus Auszügen aus den à la carte Gerichten. Und das Feedback ist gut, die Leute kommen auch wegen dem Menu. Beim Falstaff haben wir dafür auch einen extra Punkt für die Preis/Leistung gekommen.

Die Intention ist aber schon, Gourmet- Bewertungen zu bekommen?

Ja, auf jeden Fall. Das ist nicht das höchste Ziel, aber ich freue mich, wenn das Restaurant voll ist. Auch, dass es unten voll ist. Da wird es demnächst einen Wechsel geben. Das ist im Moment eher eine Barkarte. Da wird es dann etwas mehr wie ein Restaurantkarte. Die hohen Tische im Erdgeschoss werden wir ausserdem auch nach unten setzen, da die Leute lieber an einem normalen Tisch essen. Die Leute denken immer noch, dass es eine Bar ist, wenn sie reinkommen.

Hast du von der Küche einen französischen Einfluss, oder einen Asiatischen?

Ich bin bodenständig, es gibt französische, es gibt klassisch deutsche Gerichte wie z.B. Knödel. Ich bin nicht so Asia-orientiert, aber es gibt doch das ein oder andere, das ich cool finde, wie z.B. das Kokos-Curry, das ich auf der Karte habe. Wenn ich in die Ferien gehe, dann auch eher in die USA als nach Asien.

Ich würde nicht sagen, dass ich französisch koche, aber von der Basis schon. Ich setze eine Jus an mit Knochen oder mache eine Beurre.

Das Grundgericht ist ja vegetarisch, hast du dann auch vegetarische Jus?

Nein, da nehme ich meistens Gemüse, entsafte es und ziehe daraus eine Sauce.

Und die Fleisch-Jus ist dann nur für die Fleisch-Beilagen?

Ich habe ja noch zum Teil grosse Fleischgerichte, man kann also das Menu bestellen, zusätzlich zum Hauptgang noch ein grosses Stück Fleisch für die Mitte. Es gibt viele, die bestellen das vegetarische Menu, aber zum Hauptgang ein schönes Stück Fleisch dazu. Es gibt sogar Gäste, die nur das Fleisch bestellen.

Welche Stücke hast du auf der Karte?

Hauptsächlich Black Angus, das kommt aus Locarno. Fix habe ich das Entrecote auf der Karte, plus immer ein Special Cut, zum Beispiel Spider Steak, Flat Steak, Hanging Tender. Meistens Rind, manchmal noch ein Stück Kalb. Die Nachfrage nach Fleisch ist da, obwohl die Karte vegetarisch ausgerichtet ist. Manchmal könnte man da denken, wir sind ein Steakhaus. Die Palette, die wir dadurch abdecken können, ist schon sehr gross. Vegan mache ich auch, aber nur auf Vorbestellung. Ich habe zwar Gerichte, die schon vegan sind. Unter der Woche kommen deshalb auch viel weibliche Gäste, gerade am Mittwoch und Donnerstag.

Mit diesem Konzept kannst du somit Beide abholen, die Vegetarier und die Fleischesser?

Es gibt viele Männer die kommen und denken, es gibt nur vegetarische Gerichte und gehen am Ende raus und sagen, das war jetzt richtig gut, obwohl sie nicht viel Fleisch gehabt haben. Die sind dann etwas sensibilisiert, dass es nicht immer nur Fleisch braucht und dass es auch so schmecken kann.

Habt ihr ein unterschiedliches Klientel im Erdgeschoss und oben im Restaurant?

Unten ist es das Gleiche wie oben, jung, alt, alles gemischt. Manche nehmen unten ein Apero und kommen dann hoch. Wir haben auch Gäste, die essen oben das grosse Menu und am nächsten Tag kommen sie wieder, dann aber unten.

Unterscheidet sich das etwas vom Dresscode?

Nein, überhaupt nicht. Alles ganz normal. Man muss sich wohlfühlen. Wir haben zum Beispiel auch nur ein Besteck auf dem Tisch. Wenn die Gäste möchten, dann wechseln wir das natürlich auch, aber sonst behält man das Gleiche für den ganzen Abend.
Wir haben Cheyenne, die Sommelière ist, sie hat den Service unter sich und noch die Betriebsleitung mit mir. Wir haben keine alltäglichen Weine, sie ist sehr bestrebt, dass man nicht die gleichen Weine hat wie alle. Der Fokus dabei ist Schweiz, aber schon auch Deutschland und Österreich. Sie hat 7 Jahre bei einem Weinhändler gearbeitet, dann im Salzhaus als Co-Geschäftsführerin, davor in der Krone und für die Baseltor-Genossenschaft hat sie das Catering geleitet. Sie kommt eigentlich aus Basel, aber ist schon lange sehr verwurzelt in Solothurn und kennt jeden. Und jeder kennt sie.

Könnte ich noch ein Rezept von einem Gericht haben?

Ja, da würde doch am besten die Tigermilch passen. Da habe ich ein Gericht auf der Karte, ein Fenchel-Ceviche. Klassisch Ceviche-Marinade aber mit Fenchel, vegetarisch basiert, eine Dashi mit Shitakepilzen, lange ziehen lassen, dann lasse ich das abkühlen, dann kommt noch Passionsfrucht rein, Knoblauch, Zitronengras, Schalotten, Koriander, Chili, brauner Zucker, Salz. Dann vakuumiere ich es und lasse es 24 Stunden lang stehen, also insgesamt ist das ein Prozess über 3 Tage. Nach dem Vakuumieren mixen und passieren. Aber statt dem Vakuumieren kann man es auch einfach in eine Schüssel geben und abdecken. Den Fenchel schneide ich ganz dünn auf, lege ihn in Eiswasser ein, damit er schön knackig wird (das kennt man auch von Radieschen). Da kann er auch einen Tag im Wasser liegen. Danach wird er rausgenommen, mariniert, dazu Cherry-Tomate, Zwiebel, das Grüne vom Fenchel, Estragon-Creme darüber. Das Rezept kannst du gerne haben.

Vielen Dank für das Interview!

 

 

 

Restaurant Tiger
Stalden 35
4500 Solothurn

Tel: +41 32 622 11 55

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Berichte:
Restaurant der Woche: Tiger (08.01.2024) / Falstaff
Restaurant Tiger (21.12.2023) / gourmetmedia

Die Stadt Solothurn kann mit Recht als die schönste Barockstadt der Schweiz bezeichnet werden. Zwischen Aare und Jura gelegen bietet sie ein unglaublich umfassendes Kulturangebot und eine faszinierende Gastronomie.

Die Artikel von FoodFreaks, die in Zusammenhang mit dem Besuch in Solothurn stehen, sind im Magazin #1 publiziert.

Links:

Webseite Solothurn
Instagram Solothurn
#visitsolothurn

FoodFreaks wurde im Rahmen einer Pressereise von Tourismus Solothurn zu den Besuchen in Hotel, Restaurants und Museen eingeladen.

Dieser Beitrag ist Teil des Magazins #1 Solothurn

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