[Know-how] Mitera Olivenöl oder wie ich lernte, was Olivenöl ist

Olivenöl

Olivenöl ist in der Küche noch immer eines der grossen Mysterien. Diverse Tests wollen uns suggerieren, das ein 4 Franken-Öl besser ist als eines für 30 Franken. Extra vergine steht inzwischen auf jedem noch so schlechten Olivenöl und jeder einigermassen ambitionierte (Hobby-) Koch lobt begeistert das schön milde Olivenöl. Und gesund soll es ja auch noch sein.

Während man sich bei Gemüse auf Bio stürzt, das Fleisch nur beim Metzger holt, der die Lieferanten genau kennt und bei Wein über Stunden über Herkunft, Traube, Terroir, Lage und Ausbau diskutiert, heisst es bei Rezepten immer schlicht: 2 Essl. Olivenöl. Es ist Zeit, für dieses flüssige Gold endlich etwas Aufklärung zu betreiben. Die Initialzündung kam dabei von aussen: ich bekam von der Firma Mitera drei Olivenöle geschickt mit der Bitte, darüber zu schreiben. Was ich gerne mache.

Um der ganzen Sache etwas näher zu kommen werde ich thematisch vorgehen. Mit der Ausnahme, das ich es andersherum mache als sonst üblich, nämlich vom Geschmack, über die Produktion hin zu der Region.

Der Geschmack

Der unerfahrene Olivenöl-Tester, wie auch ich einer bin, probiert das zu testende Olivenöl mit einem Stück Brot. Falsch! Olivenöl wird in ein kleines Glas gefüllt und, nach dem Riechen, getrunken.

Der unerfahrene Tester rollt bei einem milden Öl die Augen und ist begeistert, ein tolles Öl! Falsch! Denn ein wirklich ausgezeichnetes Olivenöl hat viele Bitterstoffe und ist durchaus kratzig im Hals. Das ist übrigens abhängig vom Gehalt an Polyphenol. Bei raffinierten Olivenölen liegt der bei ca. 50 mg/kg, bei hochwertigen Ölen bis 1500 mg/kg. Je höher der Wert, desto gesünder. Ein bitteres Öl ist somit wesentlich gesünder. Und ein teures hochwertiges Öl eignet sich auch besser zum Braten.

Es ist also alles genau gegenteilig, als man es landläufig denkt. Aber was sollen wir tun, wenn uns doch das milde Öl besser schmeckt als das kratzige und bittere Öl? Umlernen! Vor Jahrzehnten wurde hierzulande noch viel lieblicher Wein getrunken, der gute Wein als zu sauer empfunden. Beim Wein hat man dazugelernt. Zeit also, auch beim Olivenöl dazu zu lernen. Denn die gesunden Inhaltsstoffe gibt es eben nur im guten Olivenöl.

Die Aromen

Der erste Schritt zum Umlernen ist wohl, sich mit den Aromen auseinanderzusetzen. Es gibt Haupt- und Nebenaromen. Hauptaromen sind beispielsweise frisch geschnittenes Gras, Strauchtomate, grüne Mandel, Artischocke. Nebenaromen können an Salat, Banane, Apfel oder Kräuter erinnern. Diese Aromen werden geprägt durch die Olivensorte. Es gibt über hunderte Olivensorten, aber dem Konsumenten sind (natürlich ohne die Namen der Sorten zu kennen) nur zwei Varianten bekannt: die spanische Sorte Arbequina, mit der ein superintensiver Anbau betrieben wird und die Mischvariante, in dem man einfach alle möglichen Olivenöle von Europa zusammenmischt. Auf der Flasche heisst es dann: Olivenöl aus der Europäischen Union.

Man kann also bei Olivenölen aus dem Supermarkt schon froh sein, wenn das Olivenöl überhaupt aus nur einem Land kommt. Von reinsortigen Ölen ganz zu schweigen, die findet man nur, wenn man in ausgesuchten Geschäften danach sucht. Dabei haben reinsortige Öle zwei ganz grosse Vorteile:

– Der Geschmack ist charakteristisch und kann für ein Food-Pairing mit anderen Zutaten erst richtig spannend eingesetzt werden.

– Das Öl wurde sehr wahrscheinlich technisch einwandfrei hergestellt. Dazu gleich mehr.

Wenn man also die Aromen in den Vordergrund stellt, kann ein Olivenöl viel besser eingesetzt und kombiniert werden.

Den Weg reinsortiger Öle geht übrigens auch Mitera: für die drei Öle werden die zwei Sorten Throumbolià und Mastoidis aus Griechenland sowie die Sorte Raio aus Italien verwendet. Wenn man die drei Öle vergleicht, versteht man was mit reinsortig gemeint ist: sie schmecken vollkommen unterschiedlich!

MASTOIDIS

Sauber und geschmeidig im Gaumen, eine sehr harmonische Mischung aus bitter, würzig und scharf von mittlerer Intensität. Präzise und anhaltend stark ist der Geschmack von Chicorée, Kräutern und frischen Mandeln.​

THROUMBOLIA

Weicher und geschmeidiger Duft von mittlerer Intensität. Deutliche Noten von grünen Tomaten, Mandeln und aromatischen Kräutern. Im Gaumen zuerst weich und sanft, danach eine kräftige Geschmacksexplosion mit ausgeprägten pflanzlich-fruchtigen Aromen von Chicorée, Artischocke und Lattich. Die Bitterkeit und Schärfe drücken sich elegant und ausgewogen aus.

RAIO

Ausgeprägter und intensiver Duft von grünen Walnussschalen, frischen Mandeln, Tomaten und Zichorien. Die Schärfe ist mittel-intensiv und harmonisch, mit Noten von schwarzem Pfeffer. Die Bitterkeit im Abgang ist elegant und langanhaltend.

Die Verarbeitung

Sieht man diese grossen tonnenschweren Mühlräder, die sich langsam drehen und Öl aus Oliven, Nüssen und anderem pressen, kommt doch jeder ins Träumen. Die gute alte Zeit, da wurde noch aus natürlichen Gerätschaften ein perfektes Naturprodukt erschaffen. Falsch! Noch nie waren die Olivenöle so hochqualitativ und rein wie heute, insbesondere seit den letzten 10 Jahren. In dieser Zeit wurden enorme Fortschritte gemacht. Was ein Öl im Verarbeitungsprozess nämlich überhaupt nicht mag, ist Hitze, Sauerstoff und Licht. Deshalb arbeiten hochmoderne Ölmühlen nicht mehr mit Mühlsteinen sondern mit Schneidmessern, die die Oliven vorsichtig zerschneiden und dann sofort unter Luftausschluss pressen, zentrifugieren und sieben, ohne dass das Öl die Produktionsstrasse verlässt oder Licht und Luft sieht. Erst durch das Verhindern der Oxidation kann man perfekte Öle erhalten.

Über die Jahre der Perfektionierung hat man herausgefunden, das jede Olivensorte für den Schneidprozess eine unterschiedliche maximale Temperatur erreichen darf. Eine sizilianische Olive verträgt höhere Temperaturen als eine aus Norditalien. Nicht nur auf dem Feld sondern auch in der Presse. Und so kann man mit sortenreinen Oliven den Herstellungsprozess viel besser abstimmen.

Noch natürlicher und besser sind natürlich ungefilterte Öle. Auch falsch! Ein gutes Öl muss filtriert sein, die Schwebstoffe führen zu schnellerer Oxidation und lassen das Öl viel schneller alt werden. Ein frisches, wenige Wochen altes unfiltriertes Öl hat aber durchaus seine Berechtigung.

Die Ernte

Ein superintensiver Anbau, der mit viel maschineller Unterstützung betrieben werden kann, ist selbstverständlich kostengünstiger als ein weitgehend händischer Anbau. Insbesondere die riesigen Plantagen in Spanien können preisgünstige Öle hervorbringen. Was allerdings die Erzeuger nicht davon abschreckt, zuweilen noch etwas nachzuhelfen. So werden auch mitunter andere Öle unter das Olivenöl gemischt, beispielsweise Palmöl, wie Marktcheck vom SWR herausgefunden hat.

Die manuelle Pflege der Bäume hingegen macht Arbeit. Werden die Bäume zu gross, braucht man Leitern, was wiederum die Gefahr von Arbeitsunfällen in sich birgt. So gehen viele Bauern den einfachen Weg und warten, bis die Oliven vom Baum fallen. Insbesondere Kleinbauern können zudem nicht täglich zur Ölmühle fahren und so vergeht wertvolle Zeit. Die Oliven fangen an zu faulen, eine gute Ölqualität ist nicht mehr herzustellen. Aus diesem Grund ist die Ernte essenziell für ein gutes Endprodukt. Olivenbauern, die eine eigene Ölmühle besitzen, haben hier klare Vorteile. Zudem werden nicht alle Olivensorten zur gleichen Zeit reif. Sortenreine Olivenöle haben damit auch den Vorteil, dass sie nach der Ernte sofort, am Besten innert Stunden, verarbeitet werden und die Produktion ideal auf die Sorte abgestimmt werden kann. Es gibt Olivensorten grosser Bäume, die man der Einfachheit halber bis in den November hängen liess, bis die Oliven selbst vom Baum fielen. Erst viele Versuche haben ergeben, dass diese Sorte besser schon im September geerntet wird, dann aber direkt vom Baum. Das Resultat: ein besonders frisches Olivenöl.

Wie beim Wein, bei dem die schlechten Trauben von Hand aussortiert werden, ist auch bei der Olive der Prozess von Ernte und Lese ganz zentral für die Qualität.

Die Herkunft

Wie beim Wein die Traube ist beim Öl die Olivensorte hauptverantwortlich für die Aromen. Auch die Herkunft des Öls beeinflusst den Geschmack. Sehr gute Öle können in allen Regionen hergestellt werden, falls höchste Ansprüche an Ernte und Produktion gestellt werden.

Aber neben den regionalen Unterschieden gibt es aus meiner Sicht noch eine ganz andere Komponente. Der Olivenbaum ist eine jahrtausendealte Kulturpflanze, deren Anbau ganze Landschaftsbilder geprägt hat und auch immer noch prägt. Jeder Italienreisende ist verzückt von den uralten Gehölzen und Hügeln voll mit wunderschönen Bäumen. Die Bäume gehören zur Landschaft und sollten erhalten bleiben. Mit einem höheren Preis für ein gutes Olivenöl (min. CHF 30.00) sorgt man nicht nur dafür, dass ein Olivenbauer ein ordentliches Einkommen für die harte Arbeit erhält, sondern man trägt auch dazu bei, das Kulturlandschaften erhalten bleiben und wir beim nächsten Urlaub nicht Intensivkulturen wie in vielen Regionen Süd-Spaniens anschauen müssen.

Auch in Griechenland trägt der Olivenbaum zum unverwechselbaren Landschaftsbild bei. Der Schutz genau dieser Landschaft und der Bäume ist übrigens der Grund, warum es Mitera überhaupt gibt.

Mitera

Als Antonella Meyer-Masciulli unter den über 4000 Jahren alten Bäumen in einem Olivenhain auf Kreta stand, hat sich etwas in ihr geändert. Wie so viele alte Bäume sollten auch diese weichen, die Ernte der 40 m hohen Bäume lohnte wirtschaftlich nicht mehr. Warum aber nicht aus diesen Bäumen ein so hochwertiges Öl produzieren, dass die Produktion für die Bauern wieder rentabel wird? Die Schweizer Olivenölsensorikerin fasste den Plan, ihr eigenes Olivenöl zu produzieren. Mit Unterstützung von u.a. Dr. Nicolò Cultrera aus Italien wurde sortenreine Olivenöle aus den alten Bäumen hergestellt. Die Produktion erfolgt nach höchsten Standards.

Da berechtigterweise dem Olivenöl nicht immer getraut werden kann, hat sie die Öle einerseits DNA zertifizieren lassen, um somit zu bestätigen, dass sie wirklich aus diesen alten Bäumen erstellt worden sind. Zudem kann man auf der Flasche den QR-Code abscannen, um über valuesafe.ch das Produkt authentifizieren zu lassen.

Literatur

Es gibt inzwischen unzählige Bände über Olivenöle. Ein Buch, das mir bei der Recherche unglaublich geholfen hat, ist das Buch SuperOlio von Michaela Bogner. Sie benutzt mit dem Ausdruck „SuperOlio“ ganz bewusst einen neuen Begriff für die neue Generation von Olivenölen. Neu, weil diese Öle meist sortenrein hergestellt und sowohl Ernte als auch Produktion optimal auf die Olivensorte abgestimmt werden. Diese Methoden werden häufig in enger Kooperation mit Wissenschaftlern erforscht.

Ausgezeichnet geschrieben wird sämtliches Wissen über den Stand der Technik, die Ernte und Olivensorten, speziell aus Italien vermittelt. Zudem werden Produzenten in spannenden Portraits vorgestellt. Und damit man auch weiss, was man mit Olivenöl alles anstellen kann, gibt es 70 Seiten Rezepte. Absolut empfehlenswert!

Fazit

Das Thema Olivenöl lässt mich so schnell nicht mehr los. Die Geschichte und der Herstellungsprozess sind von unglaublicher Komplexität. Die neue Generation von Ölen ermöglicht zahlreiche neue Ansätze in der Küche, wie mit Olivenöl sensorisch gekocht werden kann. Wie beispielsweise auch beim Pfeffer, bei dem in der Regel höchstens ein Unterschied zwischen weiss, grün und schwarz gemacht wird, der aber durch seine Arten auch unglaublich viele Aromen hervorbringt, muss auch das Olivenöl in Zukunft anders eingesetzt werden. Wir müssen anfangen, die verschiedenen Öle auf die Speisen abstimmen. Antonella Meyer-Masciulli versucht bereits, auch Köche auf dieses Thema aufmerksam zu machen. Leider habe ich es bisher noch nicht erlebt, dass man in einem Gourmet-Restaurant auf den Einsatz eines speziellen Öles aufmerksam gemacht hat.

Es ist also definitiv an der Zeit, dass wir dem Olivenöl mehr Aufmerksamkeit schenken. Und, dass wir mehr für ein Olivenöl bezahlen. Aus Gründen der Nachhaltigkeit, aus Gründen der Qualität, aber auch für uns selbst, damit wir die Kulturlandschaften erhalten, die wir so sehr lieben und in unserem nächsten Italien- oder Griechenlandurlaub nicht vor einer superintensiven Olivenbaum-Plantage stehen und denken: hätten wir doch damals….

1 Kommentare

1 Kommentar

  1. Elisabeth

    Wirklich beeindruckend, was beim Olivenöl alles so dazugehört – es kommt einem fast so vor, als wären es Weintrauben, oder? Seit unserer Reise nach Griechenland sind mein Mann und ich schon länger auf der Such nach einem hiesigen Shop für Olivenöl aus Kreta. Den Geschmack kriegen wir einfach nicht aus dem Kopf, bzw. dem Gaumen.

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