Leaf to root

[Know-how] Leaf to Root

Leaf to Root – ein Event zum Kochbuch

Das Rezensionsexemplar Leaf to Root habe ich nun schon seit einigen Wochen, und noch immer habe ich nichts darüber geschrieben. Was aber nicht daran liegt, dass es mich nicht interessiert, sondern dass ich mir genügend Zeit nehmen will, um es vollständig zu lesen. Denn das Buch hat sich in der kurzen Zeit seit der Publikation 2016 bereits zu einer Art Standardwerk entwickelt. Zu DEM Buch schlechthin, wenn es um die Verwendung von ungewöhnlichen Teilen verschiedener Gemüse geht. Meine Trägheit hat sich übrigens in diesem Fall mal gelohnt, denn ich wurde von V-ZUG zu einem weiteren Foodbloggerevent (letzter Event war mit David und Nenad) eingeladen. Thema: Leaf to Root mit Esther Kern. Prima, dann bekomme ich sogar alles erklärt und muss nicht nur alles alleine lesen!

Nose to Tail ist in aller Munde, Nicole vom Blog Zum Fressn gern ist in der Schweiz auf diesem Gebiet die absolute Expertin. Aber was ist mit dem Gemüse, das von Blatt zur Wurzel gegessen werden kann? Esther Kern, Journalistin und Gründerin von waskochen.ch hat sich diese spannende Frage gestellt und ihr im Verlauf der langjährigen Recherche einen prägenden Namen gegeben: Leaf to Root. Passender könnte es nicht sein!

Für ihr Projekt haben aber noch zwei gefehlt. Ein Fotograf, der phantastische Bilder macht und den sie in Sylvan Müller gefunden hat. Mit Dominik Flammer hatte er bereits das wunderschöne Buch „Das kulinarische Erbe der Alpen“ gestaltet, ebenfalls im AT Verlag herausgegeben, die machen einfach richtig gute Bücher! Wenn man aber ein Buch mit Rezepten herausgeben möchte, ist es von grossem Vorteil, auch einen Koch im Team zu habe. Dafür konnte Esther Pascal Haag begeistern, wobei dessen Begeisterung während des Kochprozesses durchaus auch an manchen Tagen gegen Null ging, wie er berichtete. Pascal, vegetarischer Koch und Rezeptentwickler, der lange hinter dem Herd des Hiltl stand, machte sich erstmal auf den Weg zu den Bauern, auf’s Feld. Nach vielen Gesprächen stand er dann mit einer Unmenge Ideen in der Küche und unterzog die einzelnen Komponenten der Gemüse den verschiedensten Garmethoden. Das ein oder andere Mal wurde es ungeniessbar, dann kamen aber auch richtig gute Kreationen heraus. Beim Foodbloggerevent beschrieb er praktisch jedes Gericht als sein Lieblingsgericht, insgesamt ca. 80 Rezepte im Buch.

Esther hat sich insbesondere mit dem Thema an sich beschäftigt. Wurde diese und jene Wurzel vielleicht früher gegessen, oder in anderen Ländern? Was sagen alte Kochbücher, historische Aufzeichnungen? Was landet auf den Tellern innovativer Chefköche? Mit über 50 Köchen hat sie gesprochen, hat Konferenzen besucht und auch mit Sensorikwissenschaftlern analysiert. Bis vor einigen Jahren war zu diesem Thema wenig zu hören, das hat sich gewandelt, genauso wie Nose to Tail heute in vielen Restaurants ein Thema ist. Es kommt also Bewegung in das Thema.

Zum Foodbloggerevent wurden wir von VZUGin Zürich eingeladen. Neben den Foodbloggern waren Esther, Pascal und Christine Brugger (Sensorikwissenschaftlerin und Gründerin von Aromareich) anwesend. Während uns Esther die Hintergründe der Gemüse und Christine die Aromen erklärte, kochte uns Pascal diverse Rezepte aus dem Kochbuch.

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Erbsen

Erbsen sind ein besonders gutes Beispiel dafür, dass Leaf to Root absolut seine Berechtigung hat. Wer kennt es nicht, da fummelt man ewig die kleinen grünen Erbsen aus der Schale und schmeisst danach gefühlte 99% von dem, was man gekauft hat, wieder weg. Aber: auch die Schalen kann man essen. Jedoch gibt es da etwas Zähes! Die innere ganz dünne Haut der Erbsenschalen ist störend und muss entfernt werden. Das ist leider noch mehr Arbeit, als die Erbsen aus der Schale zu picken. Von daher wird man auch bei den Schalen keine grossen Mengen vertilgen wollen. Die Schalen sind gut für eine Suppe oder als Gemüse.

Interessant aber sind auch die Erbsen-Triebe. Die haben sensorisch ähnliche Nuancen wie grüner Spargel. Ausgezeichnet als Salat oder mit etwas Knobli und Olivenöl können sie ein Spinat-Ersatz sein. Aber auch hier, es kommt sehr auf den Zeitpunkt an, etwas zu spät gepflückt können sie sehr zäh sein.

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Rüebli

Nicht ganz so extrem wie bei den Erbsen ist es bei den Rüebli. Der First Cut (also das Rüebli selbst) und der Second Cut (das Rüebligrün) stehen in einigermassen ausgeglichenem Verhältniss, man wirft also nur die Hälfte weg. Auch das muss nicht unbedingt sein. Rübligrün ist aromaverwandt mit krauser Peterli, der Stoff ist auch in Muskatnuss enthalten. Der grün-krautige, ganz leicht bittere Geschmack bietet sich dazu an, das Grün als Würzkraut zu verwenden. Historisch hat Esther nur wenig über das Kraut gefunden.

Pascal serviert uns ein vorzügliches Karotten-Baba-Ganoush mit Bulgursalat (S. 38), bei dem die Rüebli in dem Baba Ganoush zu einer Mouse verarbeitet werden. Schön die Textur-Kombination mit dem Bulgur, den Haselnuss- und Granatapfelkernen. Das Kraut kommt in den Bulgursalat. Gute Kombination, schmeckt hervorragend, das Kraut schmeckt man aber mit den umgebenden starken Aromen nur wenig heraus.

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Radiesli

Bei Radiesli verhält es sich ähnlich. Radiesli auf den Teller, das Kraut in den Müll. Probiert aber mal einen Radiesli-Salat MIT dem Kraut (S. 52). Wenn ihr das noch kombiniert mit gerösteten Kürbiskernen und Cranberrys könnt ihr einen geschmacklich sehr schön ausgeglichenen Salat servieren. Die erdig-blumigen Blätter haben eine ganz leichte Schärfe und könnten mit etwas Überlegungen auch gut in einem Dessert verarbeitet werden. Suppe geht auch, ist aber als Rezept nicht im Buch enthalten.

Wassermelonen

Um Wassermelonenschale zu verarbeiten, braucht es einiges an Phantasie. Ich habe die äussere Schale einer Honigmelone vor einer Weile auf den Grill gelegt, da Melonen die geforderte Zutat beim Irish Beef Foodblogger Contest sind, aber das ist nichts geworden. Die äusserste grüne Schale der Wassermelonen muss sehr dünn abgeschält werden, für diese haben selbst Esther und Pascal keine schmackhafte Verwendung finden können. Aber die innere Schale der Wassermelone eignet sich als Chutney (S. 126) oder als kalte Suppe mit dem Chutney als Inhalt (S. 128). Die an Gurke erinnernde Schale hat nicht so viel Eigengeschmack, eignet sich aber sehr gut als Texturgeber.

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Papaya

Die Papayakerne haben wir roh probiert. Der Geschmack erinnert an Radiesli, Senf, Meerrettich und an Kapuzinerkresse! Esther kam dieser geschmacklichen Nähe schliesslich auf den Grund: Papaya ist verwandt mit Kapuzinerkresse. Die Kerne können auch getrocknet und dann wie Pfeffer verarbeitet werden. Allerdings ist die Haltbarkeit sehr begrenzt, die Aromen verfliegen bald.

Im Kochbuch findet ihr auf S. 186 das Rezept Rotwein-Chicorée mit Papayakernen und Feta. Das haben wir aber an diesem Abend nicht probiert.

Rotkohl

Rotkohl ist das Gegenteil von der Erbse, und zwar in Bezug auf das Verhältnis zwischen den Bestandteilen, die gewöhnlich gegessen werden. Beim Rotkohl verwendet man bis auf den Strunk alles. Und genau den Strunk haben sich Pascal und Esther vorgenommen. Serviert auf Polenta mit Tofu und Pilzen, gegart in einer stark reduzierten Rotweinsauce (S. 158). Während mich die anderen Rezepte auch geschmacklich überzeugen konnten, kann ich dem Rotkohlstrunk aber nur wenig Positives abgewinnen, der wird bei mir auch in Zukunft wohl eher nicht so schnell im Topf landen…

Durch das Garen entwickelt sich der starke Umami-Geschmack, der im rohen Gemüse nicht vorhanden ist und sich erst mit der Hitze entwickelt.

Fenchel

Die Knolle wird gegessen, das Kraut ganz selten, die Wurzel schon gar nicht. Das ist bei der Wurzel kein Wunder, der innere Strang ist so hart, dass man selbst mit dem Messer kaum eine Chance hat. Ein Koch gab Esther den Tipp, die Wurzel nach dem Anbraten abzuknabbern, rund um das Innere herum. Aber sonst konnte sie keine Hinweise darauf finden, das die Wurzeln gegessen werden.

Wenden wir uns also dem Grün zu. Im Kochbuch findet ihr Safranrisotto mit Fenchelkraut (S. 32), Birnen-Fenchelstiel-Saft (S. 80) und, das haben wir heute bekommen, Brie mit Fenchel-Chutney und Fenchelkraut-Meringues (S. 34). Die Kombination hat überzeugt, schön ausgeglichen, insbesondere die Meringues.

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Rhabarberblüten

Bei den Rhabarberblüten waren wir Vorkoster, die gibt es auch noch nicht im Buch. Esther hat sie mit Apfelessig, Lorbeer, Thymian und etwas Salz vakuumiert und im Steamer 20 min gegart. Herausgekommen ist eine spannende Beilage, die sich mit dem säuerlichen Unterton auch gut mit einem Glacé kombinieren liese.

Fazit

Wie es war? Phantastisch. Informativ. Lecker. Kreativ. Ein gelungener Event, der mir viele neue Ideen gegeben hat. Ein Rezept zu lesen ist eine Sache. Nach jahrelangem Kochen weiss man beim Lesen eines Rezepts, ob es stimmig ist oder nicht, was noch fehlt oder was nicht passt. Was aber, wenn man die Zutaten gar nicht kennt? Esther hat mir einen Sack Erbsentriebe mitgegeben, die ich heute mit einem asiatischen Gericht kombiniert habe. Das hat hervorragend gepasst, das hätte ich nicht gedacht. Das Thema Leaf to Root finde ich aus der Perspektive der Ausnutzung der Aromen äusserst spannend und bei mir wird in Zukunft so einiges Grün nicht mehr einfach nur weggeworfen werden. Ganz herzlichen Dank für diesen Input an alle Beteiligten!

Und das Buch? Ungefähr zwei Drittel des Buchs enthalten verschiedenste Rezepte. Dazu kommen Hintergründe in Form einer Diskussion am Roundtable, Hinweise auf Literatur und eine ausführliche Beschreibung von den verschiedenen Gemüsesorten sowie der Verwendung aller Pflanzenteile. Grafisch wunderschön aufbereitet kann ich euch nur empfehlen, das Buch zu kaufen.

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