Champagner
In der letzten Woche waren wir für eine Champagner-Verköstigung eingeladen, oben im Rooftop Restaurant, oberhalb der Bahnhofstrasse. Eine Strasse, zu der nichts besser passen könnte als Champagner. Ein Inbegriff für Luxus. Grundsätzlich bin ich kein Fan von Luxus, wenn er nur sich selbst gefällt. Oder wenn nur Geld dahinter steckt, ohne dass der Preis in irgendeiner Form gerechtfertigt ist. Champagner dient zwar auch diesem Luxus, insbesondere wenn er einfach nur deswegen gewählt wird, weil in der Karte rechts beim Preis damit am meisten bezahlt werden kann. Wodurch man seine eigene Wichtigkeit zur Schau stellen kann.
Aber Champagner kann mehr. Obwohl ich eher ein Weintrinker bin, fasziniert mich dieses Getränk aus mehreren Gründen:
1. die Beschränkung auf eine spezifische Region
2. der aufwendige Entstehungsprozess
3. die Fähigkeiten der Kellermeister
Die Champagne
Die Champagne befindet sich im Nordosten von Frankreich. Wein wird dort schon seit langem angebaut, Champagner mit der Flaschengärung seit dem 18. Jahrhundert. 1927 wurden dann die Grenzen der Gegenden festgelegt, in denen Champagner auch so bezeichnet werden darf. Das sind nur gut 34’000 Hektar, also 340 km2. Das ist irgendwie nicht so viel (nur ca. 20 x 17 km!), wenn man bedenkt, wieviel Champagner auf der ganzen Welt getrunken wird. Seit 1927 ist das Gebiet gesetzlich festgelegt. Die Schweiz ist übrigens als Importeur auf Platz 8 mit über 5 Millionen Flaschen!
Auf dieser kleinen Fläche gibt es 6 Grossregionen und 20 kleinere Regionen. Auf dem Ertragsgebiet arbeiten 15’000 Winzer, viele davon liefern dann aber ihre Trauben an die grossen Häuser oder Genossenschaften. Die Ackerbau Landwirtschaft nimmt in der Champagne aber viel mehr Fläche ein, als der Weinbau.
Für den Champagner werden übrigens auf 99% der Rebfläche nur 3 Sorten verwendet: Chardonnay, Pinot Noir und Pinot Meunier. Ja richtig, zwei davon sind Rotweintrauben, die dann entsprechend nur sehr kurz gekeltert werden. Ungefähr wird jede Traubenart zu einem Drittel angebaut.
Die Herstellung
Die Trauben für die Lanson Champagner müssen innert 4 Stunden nach dem Pflücken in die Presse und werden ein Mal gepresst. Die erste Gärung erfolgt im Stahl- oder Holztank. Für die zweite Gärung wird der Inhalt mit Hefe und Zucker für die Reifung von 15 Monaten bis mehreren Jahren in die Flaschen gefüllt. Die Hefe verursacht die typische Hefenote, führt aber dazu, dass der Champagner trüb wird. Um die rauszubekommen, wird die Flasche vor dem Degorgieren gedreht. Da bei den Preisen von Champagner wohl genug übrig bleibt, hat man dafür einen Beruf erfunden: den Remueur. Ein erfahrener Remueur kann täglich mehrere zehntausend Flaschen drehen. Die anfangs fast waagrecht liegenden Flaschen werden nach und nach immer um ca. 1/12tel gedreht, bis sie einmal ganz gedreht sind. Die Champagner werden dann im Verlauf immer steiler gestellt, bis sie zum Schluss senkrecht stehen. Dann kommt der Hals in ein Eisbad und nach dem Öffnen kann man einfach den Hefepropfen herausnehmen (Degorgieren). Aufgefüllt wird dann übrigens mit anderem Champagner und etwas Zucker, ganz entsprechend der späteren Bezeichnung (Ultra Brut, Extra Brut, Brut, Extra Sec, Demi Sec, Sec, Brut).
Erfunden hat das Rüttelverfahren übrigens Veuve Barbe-Nicole Clicquot-Ponsardin. Für damalige Zeiten (um 1800) vollkommen ungewöhnlich war sie die erste Besitzerin eines Champagnerhauses.
Kellermeister
Kellermeister klingt nach einem Beruf, bei dem man in einer dicken Lederschürze in kalten Kellern gebeugt herumkriechen muss und mit dicker Nase und roten Backen viel Wein probieren muss. Chef de Cave, wie es im Französischen heisst, klingt da ganz anders. Und in Wirklichkeit sind sie die ganz Grossen des Champagner-Business! Während man bei Weinen bewusst auf die Jahrgänge geht, mit allen Höhen und Tiefen, ist die Aufgabe bei den Champagner-Häusern genau der Gegensatz: gleicher Geschmack und gleiche Charakteristik über Jahrhunderte! Dafür ist der Chef de Cave verantwortlich und benötigt eine grosse Erfahrung. Bei Lanson war Jean-Paul Gandon von 1986 bis 2015 über 30 Jahre verantwortlich, nun ist Hervé Dantan am Zug. Meist arbeiten die Kellermeister im Team, um Fehler auf jeden Fall zu vermeiden, denn Lanson ist eines der grossen Grandes Marques in der Champagne.
Aber wie kann der Champagner immer gleich schmecken? Dafür werden im Keller von jedem Jahr riesige Reserven bereit gestellt und entsprechend mit dem aktuellen Jahr so gemischt, dass wieder die gleiche Charakteristik erreicht wird.
Säureabbau
Champagner wäre kein Champagner ohne die Kohlensäure. Gewollt sind schöne kleine Blässchen. Die Kohlensäure entwickelt sich während der Flaschengärung. Nach der Hefegärung kann anschliessend die malolaktische Gärung (obwohl es streng gesehen gar keine Gärung ist) eingesetzt werden. Dabei werden Enzyme hinzugegeben, die dafür sorgen die herbe Apfelsäure in milde Milchsäure umzuwandeln. Dadurch wird der Champagner cremiger und buttriger. Der Nachteil ist jedoch, dass die Frische und Spritzigkeit verloren geht und die Champagner, nachdem sie degorgiert wurden, nicht so lange lagerfähig sind. Lanson erstellt den Champagner grundsätzlich nach der traditionellen Methode ohne Enzyme, was auch die Besonderheit dieser Champagner ausmacht.
Die Böden
Als Geologe interessieren mich natürlich insbesondere die Böden. Für die Champagne sind die Kalkböden charakteristisch, auf denen die wichtigsten Reben für den Champagner wachsen. Die Kalkablagerungen der oberen Kreide (66-100 Mio. Jahre alt) wurden von winzigen Tierchen mit Kalkskeletten über Jahrmillionen aufgebaut. Die Kalkschichten werden hier auch Belemnitenkalk genannt, nach dem Vorkommen dieser ausgestorbenen Tiere, die wie ein Kalamar ausgesehen hatten. Die Gesteinsschichten der Champagne tauchen übrigens Richtung Westen ab, gehen unter Paris durch (deshalb heisst das Ganze Pariser Becken) und kommen auf der anderen Seite bei Calais wieder zum Vorschein. Genau dort sitze ich dann jeden Winter und klopfe die Ammoniten (die „Kollegen“ der Belemniten) aus der Kreide heraus. Von daher habe ich wohl schon immer einen sehr direkten Bezug zur Champagne…
Als FoodFreak stellt sich für mich in erster Linie die Frage, wie wohl diese Tiere geschmeckt haben könnten. Aber leider werden wir das nie erfahren, denn auch die Ammoniten gibt es nicht mehr.
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