Bel Etage
Ich drücke auf den Knopf „Bel Etage“ und der Aufzug setzt sich so ruhig in Bewegung wie ein Rolls-Royce. Die Türen öffnen sich und wie durch eine Zeitmaschine fühlt man sich um 100 Jahre zurückversetzt. Obwohl 2007 alles nach dem Design von Carlo Rampazzi frisch renoviert wurde nehmen mir allein die Höhe und Geschichtsträchtigkeit der Räume den Atem. Edelste Stoffe, teuerste Möbel, knisternder Kamin und im Hintergrund die Klänge des Pianisten geben sogleich das Gefühl von mondänem Luxus, der seinesgleichen sucht. Seit Beginn der Zeit trotzten diese Mauern der Aussenwelt und schirmen alles ab, lassen die Gäste eintauchen in andere Sphären.
Kaum aus dem Aufzug werde ich empfangen und zu einer gemütlichen Ecke geführt, in der Marketing Manager Marcel Schöpf und Vizedirektor Jakob Munzinger schon warten. Heute Abend steht ein Abendessen bei Cristina Bowermann auf dem Programm, das wir gemeinsam bei einer phantastischen Weinbegleitung erleben dürfen.
Bel Etage? Während man früher in den Herrenhäusern und Palästen im Erdgeschoss die Lager und Küchen untergebracht hat, war das erste Obergeschoss reserviert für Präsentationszwecke. Hier waren die Decken besonders hoch, der Stuck besonders schön und meist führte eine imposante Treppe in das Vorzeigegeschoss. Die Bel Etage des Carlton ist das schönste Beispiel einer Bel Etage!
Ankunft
Aber spulen wir die Zeit einige Stunden zurück. Meine Ankunft in St. Moritz dürfte für einen Gast des Carlton Hotels eher ungewöhnlich sein. Die Bahn fährt zwar über unendlich viele Tunnels und Schleifen in gut drei Stunden von Zürich in das verschneite St. Moritz, die meisten Gäste dürften aber eher den nahegelegenen Flugplatz oder ihren Bentley vorziehen. Der Ausblick aus den Panorama-Fenstern der Rhätischen Bahn steht dem Erlebnis eines Anflugs aber kaum nach. Am Bahnhof angekommen wähle ich die traditionellste Form der Fortbewegung und laufe schlicht zum Hotel. In den letzten Jahren habe ich dazugelernt und meine profilstarken Winterschuhe lassen mich die 15 Minuten problemlos zurücklegen. Seit 3 Jahren darf ich das St. Moritz Gourmet Festival besuchen, im ersten Jahr noch mit dem Fehler, auf Profilschuhe verzichtet zu haben. Es führte dazu, das ich mich auf den steilen Wegen kaum fortbewegen konnte und mir der Koffer den einzigen Halt gegeben hatte.
Der Service vor dem Hotel übersah gefliessentlich meine unwürdige Anreise und kurz später durfte ich den Schlüssel zu meiner Suite in Empfang nehmen. Schlüssel? Ja, passend zur jahrtausendealten Tradition werden hier noch keine Karten ausgegeben. Eigentlich sehr praktisch, denn bei dem schwergewichtigen Schlüssel weiss man wenigstens in welcher Jackentasche er sich gerade befindet und das verzweifelte Suchen nach der Zimmerkarte erübrigt sich.
Ich wehre mich erfolgreich gegen die Bemühung des Service, meinen Koffer aufs Zimmer zu bringen, den überall bereitwillig helfenden Service bin ich nicht gewohnt. Als Familienvater bin ich meist für das Koffertragen zuständig. Im dritten Stock angekommen schlängelt sich der Gang an der Rückseite des Gebäudes entlang bis zum Ende. Wie schön, ein Eckzimmer, das mir den Ausblick sowohl auf den See als auch auf die Berge ermöglicht!
Nach dem Öffnen der Tür ist da aber ausser einer Kommode mit der Nespresso-Maschine und einem gefüllten Kühlschrank, in dem man sich bedienen kann, nichts zu sehen ausser einem weiteren Gang. Erst zwei Ecken weiter erreiche ich den Wohnraum der Suite, der sich zu beiden Seiten hin öffnet. Von wegen Doppelzimmer, so etwas gibt es im Carlton Hotel nicht mehr. Nach dem Umbau hat man sich entschieden darauf zu verzichten und nur noch Suiten anzubieten. Während ich mich weiter umschaue, gefällt mir diese Entscheidung immer besser. Ich finde schliesslich ein kleines Bad, das Schlafzimmer und ein weiteres riesiges Bad, natürlich mit gesonderter Dusche, WC und einer riesigen Badewanne.
Es dauert eine Weile, bis ich mich mit den Bedienelementen der Lichter und Storen vertraut gemacht habe, anschliessend muss ich mich aber dringend um die herrlichen Pralinés und die Macarons kümmern, die man für mich bereitgelegt hat, während ich das Programm des Festivals im weichen Sessel studiere.
Die Fernseher im Raum werde ich wohl genausowenig brauchen wie den grossen Tisch, an dem man sich sein Abendessen aufs Zimmer servieren lassen kann. Ich bevorzuge den Balkon mit der atemberaubenden Sicht, auch wenn die Temperaturen schon recht zu fallen beginnen und noch am Morgen bei Minus 11 Grad stehen werden.
Doch viel Zeit bleibt nicht, die Bel Etage wartet und somit der Übergang in das nicht minder imposante Restaurant Romanoff, in dem wir heute das Gourmet Dinner der Gastköchin degustieren können. Ob uns das geschmeckt hat und wer sich hinter dem Menu verbirgt, ist hier nicht nachzulesen. Das findet sich in der Dinnerbeschreibung und im Interview.
Schläft man wirklich so viel besser in einem so luxeriösen Bett? Oh ja! Die Bettwäsche war ein Traum und tatsächlich habe ich mich sehr wohl gefühlt. Allerdings musste die warme Temperatur dem offenen Fenster weichen, denn das ist auch im klimatisierten Raum durch nichts zu ersetzen.
Das Frühstück steht der Nacht in nichts nach. Man muss schon ein hungriger Frühstücksbegeisterter sein, um von jedem etwas probieren zu können. Die Auswahl ist schlicht umwerfend und doch greife ich zur Karte, um ein Egg Benedict mit Spinat zu wählen, Instagram sei Dank. Denn irgendwo hatte ich das Foto davon gesehen und genau darauf Lust bekommen.
Der Spa
Ein grosser Spa-Experte bin ich wirklich nicht, mir reicht meist ein warmer Pool mit schöner Aussicht und sprudelndem Wasser. Und das habe ich auch im Carlton sehr geniessen dürfen. Was sich sonst noch in den 3 Stockwerken alles verbirgt, konnte ich alleine schon aus Zeitgründen nicht in Erfahrung bringen. Aber von der Beschreibung dürfte hier wohl jeder Spa-Begeisterte zufriedengestellt werden.
Die Hotels haben beim St. Moritz Gourmet Festival gleich mehrere Funktionen. In den Küchen gastiert an den Abenden der Gourmet Safari eine Gruppe Gourmets direkt in der Küche, jeder Gang in einem anderen Hotel. Das Gala-Dinner zu Beginn und am Ende der 10 Tage findet im Kulm bzw. Suvretta House statt, die Kitchen Party in der Mitte der Veranstaltung im Badrutt’s Palace Hotel. Und jedes Hotel beherbergt während der Zeit einen der Gastköchinnen oder Gastköche, die in diesem Hotel ihr Gourmet-Dinner anbieten.
In diesem Jahr wurden nur Gastköchinnen geladen! Cristina Bowerman aus Rom gastierte im Carlton Hotel und während meines zwei-tägigen Aufenthalts durfte ich auch ein Gourmet-Dinner von ihr verköstigen.
Bei herrlichem Wetter reise ich ab, wie ich gekommen bin, den Koffer hinter mir herziehend auf dem kurzen Weg zum Bahnhof. Nein, nicht ganz so wie ich gekommen bin. Denn in meiner Erinnerung werden diese beiden Tage wohl kaum vergessen gehen. Wunderschöne Räume in einem schicken Stil, doch sehr mit der Vergangenheit des Hauses verbunden. Ein Service, der ständig präsent und überaus hilfsbereit agierte. Und einem ambitionierten Kernteam, das ich kennen lernen durfte. Das Ganze unter der Ägide des Direktors Philippe Clarinval, der das Hotel seit 2016 führt.
Apropos Kernteam: es arbeiten tatsächlich nur zehn Mitarbeiter das ganze Jahr in dem Hotel, das nur 4 Monate im Jahr geöffnet ist! Die restlichen 150 Mitarbeiter müssen jedes Jahr wieder neu gefunden werden. Viele kommen zwar gerne für die ein oder andere weitere Saison, und doch ist in jedem Jahr wieder alles neu. Was für eine unglaubliche Logistik!
Es ist 10:02, mein Zug setzt sich nach Zürich in Bewegung und ein weiteres Mal war ich sehr froh, am St. Moritz Gourmet Festival teilgenommen zu haben.
Besucht am 07.02.2020
FoodFreaks wurde für die Übernachtungen/Frühstück im Rahmen einer Pressereise eingeladen. FoodFreaks nimmt diese Einladungen gerne entgegen, da ansonsten Restaurantbesuche wesentlich seltener möglich wären. Dennoch schreiben wir unsere Meinung und lassen uns von der Einladung nicht beeinflussen!
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