B2 – Boutique und Bookmark. Damit ist das Konzept schon fast erklärt. Boutique – kein Teil einer Hotelkette, sondern ein Konzept, das mit grösster Sorgfalt eine alte Brauerei in ein Hotel verwandelt hat. Doch dazu später mehr, denn das zweite B hat fast den ersten Platz verdient. Tritt man in die offene, lichtdurchflutete Lobby ein, zieht es einen fast automatisch in den hinteren Bereich des grossen Raums, denn hier ist etwas anders als in anderen Hotels. Bücher ohne Ende, 33’000 Exemplare winden sich in die schwindelerregende Höhe von 11 Metern. In einem Insta-Reel zeigt das Hotel, wie die Bücher abgestaubt werden, eine schier endlose Arbeit. Man möchte meinen, das Restaurant, das den passenden Namen „Library“ trägt, müsste dafür wochenlang jedes Jahr geschlossen werden.
Wo bekommt man eigentlich 33’000 Bücher her? Martin Emch, Betreiber des Hotels kam gerade zur richtigen Zeit an den richtigen Ort, denn im Niederdorf in Zürich entschied sich der Antiquar des „Zum guten Buch“ just in dem Moment der Planung des Hotelkonzepts dazu, sein Antiquariat zu schliessen und in Rente zu gehen. So wurden alle 55’000 Bücher übernommen, die restlichen Bücher sind übrigens gut verstaut und eingelagert. Und so konnte die Innenarchitektin Ushi Tamborriello die Bücher gleich in das Gesamtkonzept einfliessen lassen.
Hürlimann – in der Schweiz kennt wohl jeder Biertrinker diesen Namen. 1836 kam Albert Hürlimann mit 32 Jahren auf die Idee, eine Brauerei zu gründen. 30 Jahre später wurde die Brauerei an den heutigen Standort verlegt, nach und nach entstanden neue Gebäude und führten dazu, dass 1880 Hürlimann die grösste Brauerei der Schweiz war. Streng patriarchisch geregelt, kontrollierte Hürlimann morgens persönlich, wer zu spät kam oder rechtzeitig die lange Arbeit angetreten hat. Praktischerweise wurde die Familienvilla gleich in Sichtweise errichtet, damit man alles unter Kontrolle hat.
Heute ist von dieser Strenge nichts mehr zu spüren: Im B2 herrscht eine ausgesprochen angenehme Atmosphäre – nicht zuletzt dank des fast komplett weiblichen Mitarbeiter-Teams. Geblieben sind lediglich das Gebäude und die Geschichten, die es erzählt.
1996 endete die Eigenständigkeit von Hürlimann, das Bier ging an Feldschlösschen, 2000 wurde beides an Carlsberg nach Dänemark verkauft und die Zürcher Produktion eingestellt. Und so endete die erfolgreiche Geschichte dieser über 100 Jahre alten Familien-Dynastie. Schade eigentlich, wobei man nach einem Besuch des B2 gestehen muss, dass es so eigentlich viel besser ist. Denn das Gebäude wurde derart schön umgestaltet, dass man dem Bier nicht nachweint. Wobei, dem Samichlaus-Bier vielleicht schon, das mit 14% Alkohol das stärkste Bier der Welt war und somit den meisten Weinen Konkurrenz machte.
Während in den unteren Stockwerken wunderschöne Doppelzimmer entstanden, die übrigens sehr unterschiedlich gestaltet wurden, hat das obere Stockwerk die Zürcher Innenarchitektin Ushi Tamborriello vor eine besondere Herausforderung gestellt. Was soll man mit diesen alten Kühlräumen anfangen, in denen früher grosse Eisblöcke für die Kühlung verantwortlich waren? Und bei denen zudem die städtischen Behörden verlangt haben, dass die hässlichen „Kühlrippen“ an den Fenstern bestehen bleiben sollen? Schliesslich wurde die Idee geboren, ein Haus im Haus zu bauen, die Suiten entwickelten sich zu wunderschönen zweistöckigen Wohnungen, die als eigene Einheiten in das Kühlhaus integriert wurden – grandios! Und so hat man als Gast den Eindruck, eine perfekte Mischung aus Industrie-Stil und Luxus zu erleben.
Wenn man sich in dem ein oder anderen Zimmer wundert, dass die Sofas oder Sessel schon etwas angeschlagen und abgenutzt sind, dann liegt das nicht daran, dass man sparen wollte und alte Möbel vom Brocki geholt hat, sondern an der geschickten Integration von Vintage-Stücken von Designfirmen wie Artifort, De Sede oder Willudsens. Die alten Möbelstücke wurden ganz bewusst in das moderne Konzept integriert und unterstreichen die Mischung aus alt und neu. Die Guest Ambassador Laura erklärte mir, dass man noch vorhabe, neben den Möbelstücken über QR-Codes Information zur Verfügung zu stellen – eine ausgezeichnete Idee, die Geschichten über die Stücke würden sicher viele Gäste interessieren.
Schöne Zimmer hin oder her, den Foodfreak interessiert doch immer noch das Restaurant am Meisten. Und natürlich die Küche mit dem Chefkoch, in diesem Fall natürlich die Chefköchin, denn auch in der Küche haben im B2 die Frauen das Sagen. Das Restaurant Library ist am Morgen Frühstücksraum, am Mittag Heimat der Hungrigen des Quartiers oder der nahen google-Büros, am Nachmittag heimlicher Treffpunkt der Süss-Süchtigen (siehe Rezept Cheesecake B2) und am Abend schliesslich für Gäste aus Zürich und dem Hotel ein Magnet für Fans einer ehrlichen Küche, die klassische Gerichte wie Burger genauso anbietet wie spannende Kreationen mit Fokus auf Regionalität.
Die Karte ist bewusst klein gehalten und garantiert Frische. Besonders angenehm empfinden wir die Möglichkeit, bei den meisten Gerichten zwischen einer kleinen und grossen Portion wählen zu können. Das lädt ein zum Probieren und Teilen, was wir mit Mafaldini mit Pistazien und Zitrone sowie dem Egli mit Aprikose, Beurre Blanc und Gersotto auch gleich austesten. Qualität und Geschmack konnten uns voll überzeugen.
Der ausgesprochen freundliche Service sorgte sich mit viel Expertise gekonnt um die Weinberatung und um einen runden Abend.
Zwischen den Gängen durften wir einen Blick in die Küche werfen und die Argentinierin Carolina Badano etwas bei ihrer Arbeit stören. An diesem Abend ist sie alleine, aber man hat nicht den Eindruck, dass sie irgendetwas aus der Ruhe bringen könnte. Mit einer Seelenruhe erzählt sie von ihrem Konzept, während sie nebenbei kocht und unsere Teller anrichtet. Gelernt hat die aus einer spanisch-italienisch kommenden Familie übrigens in San Sebastian, nicht gerade der schlechteste Ort, um das Handwerk in sich aufzusaugen. Bevor sie nach Zürich kam und sich dort im Weissen Rössli um die Küche kümmerte, hatte sie noch ein paar Stationen in Spanien besucht. Diesen Einfluss spürt man auch in ihren Gerichten.
Seit Dezember 2024 kümmert sie sich mit grosser Leidenschaft um ihre B2-Gäste und man hat nicht gerade den Eindruck, dass es sie bald weiterzieht.
Gibt es einen Grund, wieder zu kommen? Nein, nicht einen, sondern viele! Selten haben wir so gut geschlafen, noch nie in einem Antiquariat gegessen. Essen und Wein sind jederzeit einen Besuch wert.
Ausserdem müssen wir wiederkommen, weil wir zwei Erlebnisse nicht erleben konnten. Der herrliche Spa mit Infinity-Pool auf dem Dach, der leider bei unserem Besuch gerade renoviert wurde und die Bedtime Stories, die das Hotel und insbesondere die alte Maschinenhalle in einen literarischen Ort verwandeln werden. Gleich im Kalender markieren: 23.-25. Oktober 2025!

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